Oberhausen. Die Pegel an der Ruhr sinken, der Regen hat aufgehört. Doch am Freitag soll es wieder mehr regnen, Oberhausen kontrolliert intensiv den Deich.
So gefährlich dieses Weihnachtshochwasser für Anwohner sein könnte, so anstrengend die harten körperlichen Befestigungsarbeiten am durchweichten Ruhrdeich im Oberhausener Süden für die über 1000 Helferinnen und Helfer der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks am Samstag und Sonntag auch waren - zugleich ist der Anblick der zu einem breiten Strom verwandelten Ruhr für unbeteiligte Zuschauer unbestritten äußerst beeindruckend.
Mit 600.000 Litern pro Sekunde strömt das Ruhrwasser auch am Mittwoch von Witten, Hattingen über Bochum und Essen nach Oberhausen und Mülheim bei Duisburg in den Rhein. Alle Anlieger und Katastrophenschützer atmen am Dienstag, am fünften Hochwassertag, auf: Die Pegel der Ruhr steigen nun doch nicht auf die prognostizierten 6,40 Meter am für Oberhausen entscheidenden Pegel-Messstand Hattingen, sondern sinken nach einem längeren Hoch von 6 Metern auf 5,90 Meter ab. Zum Vergleich: Beim Jahrhunderthochwasser im Sommer 2021, als die Ruhr knapp unter der Deichkrone in Oberhausen stand, lag der Pegel bei exakt 6,99 Meter, also einen Meter höher.
Stärkere Regenfälle für Freitag angekündigt
Der Ruhrverband geht davon aus, dass dieser Pegel des Jahrhunderthochwassers nicht erreicht wird, aber gleichwohl ist die Gefahr einer Überflutung der benachbarten Ruhr-Region nicht gebannt. Der Pegel der Ruhr ist an dem für Oberhausen entscheidenden Ruhr-Messstandort Hattingen auch im Laufe des Mittwochs weiter gesunken - mittags lag er bei 5,68 Meter. Bis einschließlich Donnerstag, 28. Dezember, erwarten die Meteorologen keine nennenswerten Niederschläge.
So entspannt sich die Situation an der Ruhr weiter, doch die Oberhausener Krisenspezialisten bleiben am Ruhrdeich wachsam. „Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht zwar auch weiterhin nicht“, schreibt Stadtsprecher Martin Berger in einer aktuellen Pressemitteilung am Mittwoch. „Mit größeren Niederschlagsmengen wird allerdings wieder am Freitag, 29. Dezember, gerechnet, die Situation wird deshalb auch in den nächsten Tagen weiterhin durchgehend genau beobachtet.“
Innerhalb von 24 Stunden könnten es am Freitag 5 bis 15 Liter pro Quadratmeter Regen sein, sagte DWD-Meteorologe Nils Damke am Mittwoch in Essen. „Die genauen Mengen sind aber noch unsicher.“ Am Samstag könnten dann weitere 10 bis 15 Liter pro Quadratmeter hinzukommen. So bleibt der gesamte Bereich des Oberhausener Ruhrparks weiterhin weiträumig gesperrt, denn hier stehen Bäume im Wasser, deren Standfestigkeit ist nicht gewährleistet.
Der aktuelle Wasserstand am Hattinger Ruhr-Pegel lässt sich hier exakt und aktuell ablesen: https://www.talsperrenleitzentrale-ruhr.de/daten/internet/onlinedaten/pegel/w/pegel_2769510000100_w.png
Am zweiten Weihnachtsfeiertag freute sich nicht nur Michael Jehn, Ordnungsdezernent der Stadt Oberhausen und oberster Katastrophenschützer in dieser Hochwasserzeit im Stadtgebiet, über die Zwischen-Entspannung an der Ruhr. „Wir sehen hier endlich den blauen Himmel, wir sehen hier Sonne, es regnet nicht mehr. Damit steigt die Ruhr erst einmal nicht mehr und die Deichkrone wird nicht noch weiter aufgeweicht. Wir können jetzt endlich von leichter Entspannung sprechen, allerdings noch keine Entwarnung geben. Wir gehen aber davon aus, dass die Lage erst einmal stabil bleibt.“
Dennoch sind in der nächsten Zeit weiterhin 20 bis 30 Kräfte zur Beobachtung des Ruhrdeichs ständig im Einsatz - der Kommunale Ordnungsdienst, die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen, die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk stellen ihre Leute für den Hochwasserschutz ab. Es soll zwar erst wieder am Donnerstag in nennenswerten Mengen regnen, doch bis dahin fließen die Wassermassen am durchgeweichten Ruhrdeich in Alstaden entlang - und müssen kontrolliert werden.
Dank des Einsatzes von Feuerwehr- und THW-Kräften aus der gesamten Umgebung von Freitagabend bis zum frühen Morgen des Heiligabends ist es gelungen, den geschädigten und durchfeuchteten Ruhrdeich zu stabilisieren. Zeitweise waren über 480 Einsatzkräfte gleichzeitig im Einsatz, insgesamt arbeiteten über 1000 Helfer von Freitag bis Sonntag am Oberhausener Ruhrdeich. In langen Menschenketten packten sie erst abdichtendes weißes Vliesmaterial und dann 15.000 Sandsäcke auf den Fuß des Deichs zur Flussseite: Auf über 500 Metern mussten drei Lagen, sechs Meter hoch den Deich hinauf, installiert werden. Zudem wurden am Sonntag von der Landseite 800 Kubikmeter Kies auf 100 Metern Länge aufgeschüttet.
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) bedankt sich vor Ort für die gute Arbeit der über 1000 Helferinnen und Helfer in Oberhausen
Der Kampf um die Rettung des Deiches war notwendig, um zu verhindern, dass das Ruhrwasser große Teile des Ruhrparks und Anwohnerstraßen in Alstaden überflutet. Bei seinem Besuch am ersten Weihnachtsfeiertag an der Ruhr bedankte sich auch NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) für die gute Arbeit der Helferinnen und Helfer: „Dank des beherzten Eingreifens der Feuerwehren und der verschiedenen Hilfsorganisationen ist die Lage hier am Deich stabil.“
Dieser massive Katastrophenschutz-Einsatz war in aller Schnelle erforderlich, weil die Hochwasserschutzexperten der Bezirksregierung Düsseldorf am Freitag analysierten, dass der durchweichte Deich instabil werden könnte. Sie meldeten: „Kritische Lage am Ruhrdeich in Oberhausen.“ Die Behörde nennt drei Gründe: Erstens gibt es „kritische Schwachstellen“ wegen der Baustruktur des Deiches, zweitens stehen 50 Bäume zu dicht am Deich und lockern dessen Fundament mit ihren Wurzeln. Diese Bäume wurden noch am Samstag gefällt. Und drittens spielt die bekannte, in den Ruhrwiesen grasende Kuhherde eines Mülheimer Bauern eine wichtige, allerdings negative Rolle.
Bezirksregierung: Kuhherde zertrampelte wertvolle Grasnarbe auf dem Deich
Die Kühe wurden vor Tagen auf dem Deich gesichtet, sie müssen durch Lücken des Maschendrahtzaunes verbotenerweise auf das Areal des Deiches eingedrungen sein. „Bei einem Abschnitt des Deiches wurde auf 500 Metern Breite die schützende Grasnarbe durch das Überqueren einer Kuhherde erheblich beschädigt, was zu möglichen Erosionsschäden und Deichversagen führen könnte“, heißt es in der Mitteilung der Aufsichtsbehörde. Genau diese Stellen mussten mit den Sandsäcken und Vlies repariert werden.
Trotz aller Anstrengungen lässt der Ruhrdeich Wasser auf die Landseite durch, im Ruhrpark und direkt am Deich sind große Wasserlachen entstanden. Schlimm ist dies aber nach Angaben der Hochwasser-Fachleute nicht, solange dieses Wasser in überschaubaren Mengen durchkommt und nicht den Deich unterspült, also keine Sedimente enthält. Bisher ist das nicht der Fall, das Ruhrwasser, das durch den Deich gelangt ist, ist klar.
Oberhausener Ruhrpark für alle Bürger gesperrt: Bäume umgestürzt
Die Stadt Oberhausen hat den Ruhrpark für alle gesperrt. „Der Boden ist extrem durchgeweicht, in der Nacht sind Bäume umgefallen, es ist im Park äußerst gefährlich. Bitte betretet den Ruhrdeich nicht“, richtet Jehn einen dringenden Appell an alle Bürger. Nicht alle haben sich daran gehalten: Die Kontrolltrupps des Ordnungsamtes haben ausgerechnet an Heiligabend im Dunkeln leichtsinnige Spaziergänger im Park aufgegabelt.
Welche Straßen und Areale in Alstaden betroffen wären, sollte der Deich nicht halten, geht aus den offiziellen Hochwasserkarten des NRW-Umweltamtes hervor. Diese Karten zeigen drei Szenarien: Modelliert worden sind die Auswirkungen von relativ häufigen Hochwassern (im Mittel alle 10 bis 20 Jahre), von mittel-wahrscheinlichen Hochwassern (im Mittel nur alle hundert Jahre), und Extremhochwasser, sogenannte Jahrtausendhochwasser. Eine Karte aus diesen Informationen haben wir anfertigen lassen:
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Diese Straßen würden im Extremfall im Oberhausener Süden überflutet
Danach stellen sich die Auswirkungen so dar: Natürlich werden so oder so, wie bei Hochwasser gewünscht, die Ruhrwiesen, der Ruhrpark und das Feuchtbiotop an der Stadtgrenze zu Mülheim vom Wasser überschwemmt - wie derzeit zum Teil zu sehen ist. Im Extremfall würden aber auch verschiedene Wohngebiete in Alstaden überflutet: Breite Gebiete hinter dem Ruhrpark, also die Kewerstraße, die Solbadstraße sowie die kleinen Straßen Kalle und Stelte bis zur Stadtgrenze nach Mülheim. In der Mitte von Alstaden wären die Häuser „Am Ruhrufer“, an der „Kuhle“, zum Teil auf der Straße „Heiderhöfen“ und an der Amboßstraße sowie an der Blockstraße und Richardstraße von Wasser bedroht. An der Stadtgrenze zu Duisburg sind bei einem Extrem-Hochwasser die Wohnquartiere „Neuer Weg“, Flügelstraße, Sorpestraße und Blettgensweg gefährdet.
Das ist die Hochwasser-Situation an der Emscher
Und wie ist die Hochwasser-Lage an der Emscher? Im Unterschied zur Ruhr relativ entspannt und ohne Gefahr, meldet die Emschergenossenschaft: Zwar wurden und werden auch an der Emscher hohe Wasserstände verzeichnet, eine Überschwemmungsgefahr besteht aber nicht. An der Essener Straße in Bottrop wurden am Dienstagvormittag 4,82 Meter bei einem Durchfluss von 115,7 Kubikmeter pro Sekunde verzeichnet. Zum Vergleich: Der normale Wasserstand an dieser Stelle liegt bei 1,75 Metern, ein mittleres Hochwasser bei 5,13 Meter. An der Konrad-Adenauer-Straße in Dinslaken wurden am Dienstagvormittag 5,03 Meter bei einem Durchfluss von 125,2 Kubikmeter pro Sekunde verzeichnet. Zur Einordnung: Ein einjährliches Hochwasserereignis an dieser Stelle würde bei 5,10 Meter liegen.
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