Oberhausen. Acht Neuheiten stehen im Großen Haus auf dem Theater-Spielplan. Die Vorschau mit Liederabend, Elvis und klimaneutraler „Bambi“-Inszenierung.

„Noch bunter und noch herzlicher“ will das Theater Oberhausen nach dem Einstands-Erfolg in die zweite Spielzeit von Intendantin Kathrin Mädler starten. Nach „Gute Hoffnung“ prangt nun „Herzland“ als Motto für die Saison 2023/’24 auf den Spielzeitheften und Web-Auftritten. Von 15 Premieren der Spielzeit, darunter elf Erst- oder Uraufführungen, sind acht im Großen Haus zu erleben. Das gilt natürlich auch für den Auftakt am Samstag, 2. September, gleich im Anschluss an das bunte Theaterfest.

Kathrin Mädler muss achtgeben, denn beim dritten Mal wird’s zur Tradition – und Weitermachen damit zur Pflicht: „Noch mehr Songs für Oberhausen“ ist der Eröffnungs-Liederabend zum „Herzland“-Motto untertitelt. Und wie schon vor einem Jahr zeigt das gesamte Ensemble seine Gesangs-Qualitäten changierend zwischen Chanson, Rock und Soul. Matthias Flake ist erneut die extravagante Erscheinung am Klavier – und auch das Büdchen spielt wieder mit. Doch für die zweite Spielzeit verweben Flake und Mädler den Einakter „Schauet“ von US-Autor Noah Haidle mit dem Liederabend: „Bei Hochzeiten und Namenstagen, Beerdigungen und Taufen spannt er einen Bogen über mehrere Generationen und Jahrzehnte.“

„Die Professionalität und Leidenschaft in diesem Haus ist eine Wucht“ – und damit meint Intendantin Kathrin Mädler ausdrücklich auch die vielen technischen Gewerke des Theaters.
„Die Professionalität und Leidenschaft in diesem Haus ist eine Wucht“ – und damit meint Intendantin Kathrin Mädler ausdrücklich auch die vielen technischen Gewerke des Theaters. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Als deutschsprachige Erstaufführung scheint „Die Brücke von Mostar“ am Freitag, 15. September, direkt anzuknüpfen an die Gegenwartsdramen des „New Stages South East“-Festivals. Der britisch-bosnische Autor Igor Memic erzählt von der Liebe zwischen der bosnischen Muslimin Mina und dem katholischen Kroaten Mili, die sich kennenlernen, kurz bevor die Jugoslawienkriege ausbrechen. Während um sie herum die Kämpfe toben, hält ihre Clique junger Freunde zusammen. Nicht das Kriegsgeschehen ist dem Autor wichtig, sondern die Solidarität im zunehmend beklemmenden Alltag.

Ein Punsch, der alle guten Wünsche in ihr Gegenteil verkehrt

Als zweite Regiearbeit der Intendantin (nach dem Haidle/Liederabend) folgt am 13. Oktober die deutschsprachige Uraufführung von „Zeit für Freude“ des nicht nur in Skandinavien arrivierten Norwegers Arne Lygre. Kathrin Mädler verspricht ein „poetisches Bild für den Lebenskreislauf“ und ein „großes Ensemblestück“. Lygres Figuren „kreiseln aufeinander zu, sprechen bisher nur Gedachtes aus und geben einander Halt“.

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Als prächtig-bunte Ensemble-Produktion, jedoch mit durchaus giftiger Note, lässt sich das Familienstück „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ am 18. November verkosten, abgestimmt auf die große Ausstellung zu Michael Ende in der Ludwiggalerie. Wie schon beim zauberhaften Kästner-Erfolg „Pünktchen und Anton“ inszeniert Ingrid Gündisch die schaurig-schöne Mär vom verkorksten Zauberer Beelzebub Irrwitzer, dem einfach keine Übeltaten gelingen wollen. Aus Angst vor dem höllischen Gerichtsvollzieher greift er zu einer grauenvollen Rezeptur seiner verruchten Familie – und braut jenen Wunschpusch, der alle guten Wünsche in ihr Gegenteil verkehrt.

Die dreifache „Leni Riefenstahl“ in großen Roben (v.li.) Ronja Oppelt, Anke Fonferek und Maria Lehberg in John von Düffels Abrechnungs-Revue zum zähen Nachruhm von Hitlers Propagandistin. Kathrin Mädlers Regiearbeit mit der bisher größten Resonanz in den Feuilletons zählt natürlich zum Repertoire der zweiten Spielzeit.
Die dreifache „Leni Riefenstahl“ in großen Roben (v.li.) Ronja Oppelt, Anke Fonferek und Maria Lehberg in John von Düffels Abrechnungs-Revue zum zähen Nachruhm von Hitlers Propagandistin. Kathrin Mädlers Regiearbeit mit der bisher größten Resonanz in den Feuilletons zählt natürlich zum Repertoire der zweiten Spielzeit. © Theater Oberhausen | Karl Forster

Als erste Uraufführung des neuen Jahres folgt am 12. Januar 2024 die Adaption eines Erfolgsromans von Zülfü Livaneli „Serenade für Nadja“. An der Universität von Istanbul soll Maya einen betagten Gast aus Deutschland betreuen: Dieser 87-jährige Professor wird auf seinen Wegen beschattet, er lässt sich an die winterliche Küste fahren und spielt im eisigen Wind auf der Geige – bis zur Bewusstlosigkeit. Mayas Recherchen führen zurück zu einem Schiff voller jüdischer Exilanten, die jedoch die Küste Palästinas nie erreicht haben. Livanelis Blick auf ein „weit verzweigtes Netz europäischer Geschichte“, so Chefdramaturgin Saskia Zinsser-Krys, erzählt auch vom Wandel der Türkei. Das Theater plant Aufführungstermine mit Übertiteln in türkischer Sprache.

Karrieresprung: Vom Elvis-Double zur Drag Queen

Schrill, aber nicht karnevalesk, wird’s am 23. Februar 2024 mit „The Legend of Georgia McBride“ von Matthew Lopez. Die knallbunte Musikkomödie erzählt von Casey, einem der unzähligen Elvis-Doubles, den die Sorgen drücken: Seine Liebste erwartet ein Kind und der Club, in dem er bisher auftrat, mag „Heartbreak Hotel“ nicht mehr hören. Doch als rettender Engel erscheint Tracy Mills, denn ihrer Duo-Show ist die Drag Queen-Partnerin abhanden gekommen. Casey sattelt um von pomadisierter Tolle zu Glitzer-Make-up und erkennt: „Drag ist eine erhobene Faust in einem Pailletten-Handschuh!“

Der erste Ausfallschritt zum neuen Tanztheater in Oberhausen gelang mit dem Gastspiel „Faster“. Dank des großen Erfolges ist das „Renegade“-Ensemble am 19. September und 15. Oktober erneut im Großen Haus zu erleben.
Der erste Ausfallschritt zum neuen Tanztheater in Oberhausen gelang mit dem Gastspiel „Faster“. Dank des großen Erfolges ist das „Renegade“-Ensemble am 19. September und 15. Oktober erneut im Großen Haus zu erleben. © Theater Oberhausen | Oliver Look

Ebenfalls im Großen Haus soll am 15. März das Wagnis gelingen, eine zertifiziert klimaneutrale Produktion auf die Bühne zu bringen – und zwar „Bambam Bambi“ nach dem Tier-Roman (aber nicht Kinderbuch) von Felix Salten. Der Regisseur und Musiker Anselm Dalferth will mit Live-Musik und Urban Dance den Disney-Kitsch von der 100 Jahre alten Geschichte wegblasen. Sein dramaturgischer Coup: Aus einer wundersam heilen Zukunftswelt des Jahres 2424 schaut das Schauspiel zurück, wie die Natur dem scheinbar vorgezeichneten Untergang entkommen ist. Eine positive Utopie für alle Menschen ab zwölf Jahren.

Vampire im neuzeitlichen Cabaret der Monstrositäten

Zwischen dem düsteren Glamour der 1920er und den 2020ern changiert auch die letzte deutschsprachige Erstaufführung fürs Große Haus am 24. Mai: „Ich zittere (1 & 2)“ gestaltet Joel Pommerat als neuzeitliches Cabaret der Monstrositäten mit traurigen Clowns, Vampiren und einer Sirene auf dem Trockenen. Oberhausens Chefdramaturgin Saskia Zinsser-Krys verheißt „ganz große Momente von Showbiz in einer intensiven Bildsprache“.

Die Premieren im Studio, also im kleinen Saal des Theaters Oberhausen, und im Ratssaal an der Schwartzstraße haben wir in diesem Artikel vorgestellt: Neue Theaterspielzeit in Oberhausen: „Bunter und herzlicher“.

Nicht nur für Abonnenten: Theaterkasse ist wieder geöffnet

Die Theaterferien beendet die emsige Crew der Theaterkasse stets als Erstes: Sie ist von heute an wieder zur Stelle und berät, sei es am Will-Quadflieg-Platz, per Kartentelefon 0208 8578 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.

Nach erfolgreicher Einstands-Saison ist nun auch ein Repertoire aufgebaut: Für einige gefragte Inszenierungen gibt’s also ein Wiedersehen im Großen Haus. Am schnellsten dürften wohl die Tickets für die Tanzproduktion „Faster“ vergriffen sein. Denn dieses Gastspiel des „Renegade“-Ensembles kehrt nur für zwei Abende am 19. September und 15. Oktober zurück.

Als Wiederaufnahmen angekündigt sind im Programmheft zudem „Der lange Schlaf“ von Finegan Kruckemeyer, „Woyzeck“ von Georg Büchner und „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl“ von John von Düffel.