Oberhausen. Oberhausens erste Intendantin Kathrin Mädler hat mit dem Liederabend am Kiosk schon das Programm für einen funkelnden Silvesterabend gefunden.
„Das Lächeln kehrt in die Gesichter zurück“ – so besangen es die Beatles mit „Here Comes the Sun“. So sang es ein plüschiger Cartoon-Wolf auf der großen Bühne des Theaters Oberhausen. Und es stimmt: Das Lächeln war wieder da. Das Publikum freute sich sichtlich am Liederabend „Gute Hoffnung“, beklatschte ausgiebig fast jeden Song – und spendete zum Schluss stehende Ovationen.
Aus dem krönenden Abschluss des Theaterfestes zum Einstand der neuen Intendantin ist doch deutlich mehr geworden als eine musikalische Vorstellungsrunde des neuen Ensembles, das sich am Samstag komplett so stimmlich stark wie gesangsfreudig präsentierte. Die „Songs für Oberhausen“ hatten sich damit bereits als Silvester-Show qualifiziert – kein kleines Kunststück für eine innerhalb nur einer Probenwoche auf die Bretter gestemmte Inszenierung. Für Kathrin Mädler ist’s quasi ein Prolog (und Kontrapunkt) vor ihrer ersten Regiearbeit im Schauspiel-Programm, die am 29. September mit „Kissyface“ im Studio folgen wird.
Im Großen Haus war die gespannte Erwartung zu greifen, mit der das Publikum auf die zunächst leere Bühne blickte. In einem gewagten Einteiler – um den sich zu goldenen Glamrockzeiten David Bowie und Freddie Mercury gekabbelt hätten – schritt Matthias Flake an den Flügel. Es folgte allerdings kein „Starman“, sondern eine Variation von Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1, zu dem wie ein klobiges UFO ein Büdchen aus dem Bühnenhimmel hinab schwebte. Die Neonschrift „Gute Hoffnung“ darüber rundet sich noch nostalgisch-schwungvoller als der bekannte „Vielfalt“-Slogan auf dem Hochhaus am Saporishja-Platz.
Bizarrerien statt üblicher Revier-Karikaturen
Als gute Seele der Trinkhalle erscheint – wer sonst – Anna Polke in Fransenhemd und Cowgirl-Stiefeln. Torsten Bauer, der neben ihr Dienstälteste im Ensemble, darf sogar – höchst apart – einen traurigen Superman geben, der sich mit müde flatterndem Umhang an den Stapeln der Plastikstühle abrackert. Als Kostümbildnerin hat Franziska Isensee wirklich alles aufgeboten: Ihr Kiosk-Publikum trägt keine banale Ballonseide wie die üblichen Revier-Karikaturen oder gar ordinäres Morgenmantel-Frottee. Die Chefausstatterin kleidete und frisierte das Ensemble so feinst bizarr, das selbst die aus den letzten Spielzeiten wohlvertrauten Gesichter kaum wiederzuerkennen waren. Zudem zeigt die Maskenbildnerin der „Guten Hoffnung“ ein Faible für Rokoko-bleiches Make-up.
Ist’s also wirklich Susanne Burkhard, die als weißgesichtiger Pierrot mit schwarzem Kostüm und anrührend großer Geste den „Sternenhimmel“ besingt? Es stecken etliche charmant-rätselvolle Verwandlungen in diesem Liederreigen: Die zurückhaltenden Klavier-Arrangements, aber mehr noch die reichlich dosierte Schauspielkunst machen so selbst aus einem belächelten NDW-Liedchen zum rieselnden Sternenstaub eine sehnsuchtsvolle Melodie, die viele im Saal leise mit summen.
Zwischen Schlager, Chanson und Kunstlied
Mit der Mehrzahl seiner deutschsprachigen (und teils nur für eine Strophe kurz angestimmten) Lieder changiert dieser hoffnungsvolle Abend – ganz unabhängig vom „Urzustand“ der Songs – zwischen persifliertem Schlager, Chanson und Kunstlied-Flair. Eine Ausnahme sind allein die Soulpop-Klassiker wie Aretha Franklins grandios in Szene gesetztes „Natural Woman“: Hier bildet die Schlange der grellen Quasi-Außerirdischen vor dem Büdchen den „Ahumm“-Chor für ein machtvolles Solo. Jener Uniformierte, der vorher wie eine Aufziehpuppe kreuz und quer über die Bühne schoss, macht sich jetzt divenhaft locker und wirft sich die weiße Federboa um.
Mit stimmlicher Grandezza erzählt das Ensemble auch eine italienische „Storia d’amore“, verquirlt in einem giftigen Medley Herbert Grönemeyers „Alkohol“ mit Zarah Leanders Durchhalteschlager „Es wird einmal ein Wunder geschehen“. Selbst der sarkastische Schmiss von Brecht/Weill dreht sich, gut gepfeffert, zum „Beefsteak Tatar“ des Kanonensongs im jederzeit appetitlichen Lieder-Fleischwolf.
Superman darf endlich abheben
Apropos Wolf: Ganz zum Schluss singt das schmusig wirkende Poster-Tierchen der mit Verve und Wonne gestarteten „Gute Hoffnung“-Spielzeit jenes optimistische „Here Comes the Sun“ – und der vormals so traurige Superman darf laut bejubelt fliegen: ein Hoffnungszeichen.
Liederabend mit dem gesamten Ensemble
Weitere Aufführungen des 75-minütigen Liederabends „Gute Hoffnung“ mit dem kompletten Ensemble folgen am Mittwoch, 14. September, Samstag, 17. September, und Freitag, 7. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr.
Karten kosten von 11 bis 23 Euro, 0208 8578 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.