Oberhausen. Der Erzähler der Tackenberg-Romane beendet mit „Die Nacht unterm Schnee“ jene Weltkriegs-Trilogie, die dem Schicksal seiner Eltern nachforscht.

Mit stattlichen 20 Buchtiteln ist Ralf Rothmann im renommierten Suhrkamp-Verlag vertreten – und der Sammelband „Theorie des Regens“ mit „Notizen aus fünfzig Jahren“ ist für den kommenden Monat als 21. Titel angekündigt. Zudem erhält der 69-Jährige in diesem Jahr den mit 25.000 Euro dotierten Thomas-Mann-Preis, gemeinsam gestiftet von der Hansestadt Lübeck und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Doch seinen 70. Geburtstag am Mittwoch, 10. Mai, will der inzwischen vielfach preisgekrönte Romancier in Oberhausen verbringen – mit einer Lesung aus „Die Nacht unterm Schnee“ im Theater.

Diese besondere Form der Anerkennung hat sich das Literaturhaus Oberhausen als Gastgeber redlich verdient: Schließlich bemüht sich der rührige Verein schon nahezu seit seinen Gründertagen um jenen Schriftsteller, der den Tackenberg mit großen Merkzeichen auf der literarischen Deutschlandkarte platziert hat. „An das Theater hat Ralf Rothmann viele tolle Erinnerungen“, weiß Hartmut Kowsky-Kawelke, der Literaturhaus-Vorsitzende. Von dessen revolutionärer Ära unter Schauspieldirektor Günther Büch dürfte er als Jugendlicher noch die letzten Jahre staunend miterlebt haben.

Hörspaziergang am Tackenberg mit dem Ralf-Rothmann-Audiowalk: Über das Scannen der auffällig in Lila angebrachten QR-Codes lässt sich miterleben, was die „Spielkinder“ um Till Beckmann und Jennifer Ewert in cooler Hörspiel-Manier aufgenommen haben.
Hörspaziergang am Tackenberg mit dem Ralf-Rothmann-Audiowalk: Über das Scannen der auffällig in Lila angebrachten QR-Codes lässt sich miterleben, was die „Spielkinder“ um Till Beckmann und Jennifer Ewert in cooler Hörspiel-Manier aufgenommen haben. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Vor allem aber ließ wohl der Einsatz von Till Beckmann aus der „Spielkinder“-Truppe die Zurückhaltung des seit Jahrzehnten in Berlin heimischen Rothmann schmelzen: Beide kennen sich, seit die Brüder Nils und Till Beckmann mit Regisseur Adolf Winkelmann vor sieben Jahren das Drehbuch für „Junges Licht“ schrieben. Das Ehepaar Charly Hübner und Lina Beckmann in den Rollen als Eltern des jugendlichen Helden Julian Collien ließ damals die Roman-Verfilmung ebenso glänzen – wie jüngst mit seinen Stimmen aus der App den im Oktober eröffneten Ralf-Rothmann-Audiowalk am Tackenberg: Der trägt den sinnigen Titel „Overhausen“. Und natürlich wollen die Literaturhäusler dessen zweite Route möglichst während des Oberhausen-Besuchs ihres berühmten Gastes einweihen.

Kritiker sind sich einig: das beste Buch von Ralf Rothmann

Versteht sich, dass Till Beckmann auch während der Lesung vor voraussichtlich 400 Zuhörern im Theater die Moderation übernimmt. Dann präsentiert Ralf Rothmann allerdings keinen seiner „Sterkrade-Roman“, sondern den Abschluss jener Weltkriegs-Trilogie, die dem Schicksal seiner Eltern in deren Jugendjahren nachforscht. Denn die eindringliche Verquickung von Biografie und literarischer Fiktion betonen fast alle Rezensionen des im vorigen Sommer erschienenen Romans „Die Nacht unterm Schnee“. Nur selten sind sich die Feuilletonisten der größten Zeitungstitel wohl so einig in ihrem Urteil: Für sie ist diese jüngste Arbeit, 300 Seiten stark, womöglich das beste Buch von Ralf Rothmann.

Sitzgelegenheiten zum entspannten Zuhören gibt’s an allen Stationen des „Overhausen“-Audiowalk, nicht nur auf dem Schulhof am Siedlerweg
Sitzgelegenheiten zum entspannten Zuhören gibt’s an allen Stationen des „Overhausen“-Audiowalk, nicht nur auf dem Schulhof am Siedlerweg © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Als Wolf und Luisa habe der Autor sich und seine Frau in dieses Werk eingeschrieben: Die Kritikerin der Frankfurter Rundschau beschreibt als „klugen Schachzug“ den Coup, aus der Perspektive der Schwiegertochter erzählen zu lassen, was der 16-jährigen Elisabeth auf der Flucht während der letzten Kriegstage 1945 angetan wurde. Die brutale Vergewaltigung des Mädchens ließ die Rezensenten schaudern – und zugleich Rothmanns Meisterschaft bewundern: Er finde „so exakte wie elegante Worte“, um die Leserschaft „moralisch und stilistisch“ herauszufordern, so die Hamburger „Zeit“.

Verheerungen des Krieges bis in die nächste Generation

Und er macht, nicht erst mit diesem Roman, deutlich, wie „die Verheerungen des Krieges in den Seelen der Menschen“, so die FAZ, bis in die nächste Generation nachwirkt. Nur die Berliner „taz“ schlägt eine seltsame Volte in der umfassenden Rothmann-Begeisterung: Ihr Kritiker meint, den Autor vor „Gefühlskitsch“-Verrissen in Schutz nehmen zu müssen – dabei sind derart nörgelnde Stimmen im vorigen Sommer gar nicht zu hören gewesen.

Karten zu 15 Euro gibt’s an vier Vorverkaufsstellen

Das Highlight des zweiten Quartalsprogramms ist auf der Homepage literaturhaus-oberhausen.de bereits angekündigt: Karten für die Lesung am Mittwoch, 10. Mai, um 19.30 Uhr im Theater kosten 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Der Vorverkauf läuft sowohl über das Literaturhaus – mit seinen bekannten Vorverkaufsstellen im Gdanska, in der Sterkrader Buchhandlung Wiebus und bei Brinkmann Tabakwaren in Schmachtendorf – als auch über die Theaterkasse am Will-Quadflieg-Platz.

Der Roman „Die Nacht unterm Schnee“, erschienen bei Suhrkamp, kostet 24 Euro, ISBN 978-3-518-43085-9.

Für die Eröffnung der zweiten „Overhausen“-Route am Tackenberg ist noch kein genauer Termin festgelegt. Die Texte für die Hördateien haben die „Spielkinder“ aber bereits eingesprochen. Mit ihnen wird man sich rund anderthalb Kilometer zwischen Osterfeld und Sterkrade bewegen.