Oberhausen. . Das zwanglose Gipfeltreffen zweier Reviergrößen in Eisenheim: Roland Günter führte „Junges Licht“-Regisseur Adolf Winkelmann durch die Siedlung.

Der Kunsthistoriker lenkt den bewundernden Blick auf Details der Backsteinfassaden und rügt zu hohe Hecken: „Gucken, sich zuwinken, quatschen – das ist so nicht mehr möglich.“ Der Regisseur erzählt von beglückender Kameraarbeit im Dustern vor der Hacke und vom verzweifelten Bemühen, das Revier in einem Kölner Filmstudio authentisch werden zu lassen. Im sonnigen Eisenheim fanden sich die Ruhrgebietsgrößen Prof. Roland Günter und Adolf Winkelmann zum zwanglosen Gipfeltreffen.

Gut zwei Stunden später sollte der Filmemacher die zweite Vor-Premiere (nach der 1. Mai-Eröffnung der Ruhrfestspiele) in der Oberhausener Lichtburg besuchen. Aber für die „wunderschöne Gartenstadt“ nahm sich Winkelmann gerne Zeit. Schließlich sind auch seine Eisenheimer Gastgeber Filmfans: Noch vor Kaffee und Kuchen führten Janne und Roland Günter den Dortmunder zu Tonino Guerra, führten im Park die neue Hörstation vor, die an Federico Fellinis fantastischen Drehbuchautor erinnert.

"Schönster Drehtag" in Dreck und Dunkelheit

Gegenüber der poetischen, aber auch betont künstlichen Kulissenwelt der römischen Cinecittá bleibt ein Realist wie Adolf Winkelmann bestenfalls ferner Bewunderer. Sein erklärtermaßen „schönster Drehtag“ während der Arbeiten an „Junges Licht" war einer in Dreck und Dunkelheit: Filmen wollte er die 1961 noch alltägliche Arbeit der Hauer an der „steilen Lagerung“ mit dem Presslufthammer. „So kleine Flöze wurden ja seit 50 Jahren nicht mehr abgebaut.“ Doch in der bereits 1868 erschlossenen Zeche Graf Wittekind fand der 70-Jährige „ein paar Verrückte“ (Winkelmann meint’s natürlich bewundernd), die in Syburg ihr Schaubergwerk unterhalten. Hinein kriechend war dort nur Platz für Charly Hübner – und für den Regisseur mit der Handkamera, der mit dem einsamen Licht der Grubenlampe auskommen musste. „Das befreit einen wieder!“

„Junges Licht“

Nach den Vor-Premieren in den beiden „Lichtburgen“ startet „Junges Licht“ bundesweit in der kommenden Woche, am 12. Mai. Der zweistündige Spielfilm erzählt von den Sommerferien des zwölfjährigen Julian Collien (Oscar Brose) in der Siedlung. Sein Vater (Charly Hübner) arbeitet unter Tage, seine Mutter (Lina Beckmann) fährt mit Tochter Sophie an den See. Julian, auf sich gestellt, wird vom pädophilen Vermieter angemacht . . .

Der Roman „Junges Licht“ erschien 2004 im Suhrkamp-Verlag, der auch die neueren Werke des heute 62-jährigen Ralf Rothmann publiziert. Der Romancier ist in Sterkrade aufgewachsen und lebt seit nun 40 Jahren in Berlin. Wie fast alle Rothmann-Titel erhielt auch der neue Roman „Im Frühling sterben“ Bestnoten der Literaturkritik. Winkelmann verfilmte Rothmann, wie er sagt, „weil ich fast alles selbst so erlebt habe“.

Wer so versessen ist nach Authentizität – hätte der nicht liebend gerne in Eisenheim gedreht? Schließlich ist Ralf Rothmann, der Romancier von „Junges Licht“, quasi nebenan in Sterkrade aufgewachsen. „Wir hätten das hingekriegt“, meint Adolf Winkelmann, „aber die Eisenheimer hätten Probleme mit uns!“ Der Film-Künstler, der vor 35 Jahren mit „Jede Menge Kohle“ den ersten deutschen Film in Dolby Stereo produziert hat, bedauert durchaus, dass der technische Apparat mit jedem seiner Film größer und größer wurde: „Wir brauchen heute 200 Meter Parkfläche“ – wahrlich nichts für Eisenheim.

Stippvisite im alten Meisterhaus

Tatsächlich entstand die Hälfte des Films in einem Studio „in Köln“ – und so wie der Dortmunder die beiden Worte ausspricht, klingt gelinde Verzweiflung an: „Das Rheinländische ist ein völlig anderes Lebensgefühl – und alles ist Pappe.“

Im Studio also entstand die 1961 noch allerorten typische Wohnung von 50 Quadratmetern. Und der Revier-Realist legte großen Wert darauf, tatsächlich auf 50 qm zu filmen. Geht eigentlich nicht – aber Winkelmann erzählt vergnügt vom „Bonanza“-Trick: Er verbannte die Kamera hinter Sehschlitze in den engen Wänden. „So konnte ich mit normalen Brennweiten arbeiten.“ Roland Günter, seit 42 Jahren Eisenheimer, nickt verständnisvoll: „Für die Schauspieler ist das sicher ganz anders.“

Wie „echt“ Winkelmanns Studio-Wohnung mit den kleinen Zimmern unter Dachschrägen wirkte, bestätigte nicht nur die Stippvisite im einstigen Meisterhaus, heute das von Maschmedia-Chef Marcus Schütte, sondern das sicher berufenste Lob: Denn noch vor den Lichtburg-Vorführungen in Essen und Oberhausen zeigte der Regisseur „Junges Licht“ in einem Berliner Kino, ganz privat für Ralf Rothmann. Der mit Bundesverdienstkreuz am Bande, Bambi, Goldener Kamera und Grimmepreisen ausgezeichnete Professor für Film-Design war nervös – und zitiert stolz den gerührten Romancier: „Ich war jede Minute glücklich.“