Oberhausen. Schon zu Kaisers Zeiten gab’s Nahverkehrs-Visionäre: Historische Postkarten von drei Oberhausener Sammlern zeigen weit mehr als Geschäftsfassaden.
Eine Seilbahn für Oberhausen als visionäres Konzept? Die Schlagzeilen des mittleren 21. Jahrhunderts sind eigentlich ein alter Hut – betrachtet man den Blickfang der jüngsten Postkarten-Ausstellung von Bruno Zbick und seinen Mitstreitern: Da lässt doch ein tollkühner Grußkarten-Verleger über dem neobarocken Amtsgericht eine Schwebebahn sausen. Fahrradfahrer, Straßenbahnen und zwei Motordroschken zählen zum weiteren Aufgebot des reichlichen Verkehrsgetümmels auf dem heute mit Brunnen und Rabatten bestückten Friedensplatz: „Oberhausen in der Zukunft“ steht, eher kleingedruckt, am Rande dieses surrealen Meisterstücks.
Die Ausstellung in der Lobby des NH Hotels an der Düppelstraße wäre schon allein dank dieses Kleinods ein Coup – hat aber noch 70 weitere Schätzchen in vergrößerten Reproduktionen zu bieten. Horst Otto, mit dem Bruno Zbick, der Vorsitzende des rührigen Künstlerfördervereins, bereits drei stadthistorisch fundierte Schauen zusammengestellt hatte, ist im Vorjahr verstorben. Seinen Aussteller-Part übernehmen nun der Oberhausener Karl-Heinz Konopka – und ein Sammler aus Falkensee im Havelland: der ebenfalls aus der schwerindustriellen Pionierstadt stammende Udo Appenzeller.
Allein das Thema der Drei klingt etwas missverständlich: „Als die Mitte noch alt war“ meint die Mitte von Alt-Oberhausen – allerdings zu jenen Zeiten, als hier noch als nagelneu war. Zumal die Marktstraße hat sich in den letzten eineinhalb Jahrhunderten bis zur Unkenntlichkeit verändert: Wo gäbe es heute noch burgähnliche Erker mit hohen Turmhauben wie einst beim Textilkaufhaus Rüttgers? Später prunkt an gleicher Stelle – Marktstraße Nr. 2 – der Tanzsaal „Rosenhof“ mit wuchtiger Art Deco-Ausstattung.
„Fisch Schmitz“ wirbt mit Haifisch auf dem Pferdekarren
Stolz sind die Sammler auf jene Postkarten-Raritäten, die nicht nur Blicke entlang der Straßenflucht zeigen (jenen später von der FAZ geschmähten „zwei Kilometern Tristesse“), sondern als Nahaufnahmen auch in die Geschäftsauslagen blicken lassen: so beim Kaufmann Heinrich Knobel, der in seinen Schaufenstern keinen Quadratzentimeter undekoriert ließ. „Fisch Schmitz“ ging in den 1920ern das Marketing ganz anders an: Er bewarb das 40-jährige Geschäftsjubiläum mit einem zwei Meter langen Hai auf der Ladefläche seines Pferdekarrens.
Die heute eher triste Friedrich-Karl-Straße, weiß Bruno Zbick, war vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs eine starke Konkurrenz der Einkaufsmeile Marktstraße: Dort bot das „Zentralhotel“ seinen Gästen bereits 1891 eine eigene Fernsprechanlage. Ein für das Sammler-Trio besonders rührendes Motiv zeigt eine Karte von 1910: ein Fachgeschäft für „Ansichten von Oberhausen“ – acht Karten gab’s dort für 50 Pfennig.
Stummfilmkino bietet „großes, verstärktes Orchester“
Den Filmpalästen in Alt-Oberhausen gebührt ein eigenes Kapitelchen der Postkartenschau: Zu Stummfilmzeiten verspricht der „Ufa-Palast“ an der Marktstraße 73 ein „großes, verstärktes Orchester“ – heute gibt’s dergleichen nur noch, wenn Hans Zimmer mal wieder in der Arena aufspielt. Die Fassaden von „Apollo“ und „Istra“ heben sich zwischen den Geschäftsfassaden nicht sonderlich hervor – anders die 1931 feierlich eröffnete „Lichtburg“, heute der Solitär als Altstadtkino: ein markant, trutziger neusachlicher Filmpalast mit 1200 Zuschauerplätzen.
Dank der vergrößerten Reproduktionen offenbaren die Straßenszenen in der Ausstellung sogar noch mehr Details als die Original-Postkarten. „Wir geben sie aber so wieder, wie sie sind“, betont Bruno Zbick, „beschriftet, gestempelt und mit Klecksen“. Verwegene Retuschen und Collagen bleiben allein den Postkarten-Verlegern aus Kaisers Zeiten vorbehalten.