Oberhausen. Leere Säle, kaum Vorverkauf: Kleinkunst und Konzerte sind holprig aus der Corona-Zeit gekommen. Wie sieht es heute im Ebertbad und Altenberg aus?

Der Blick in den Saal wirkte wie ein Scherz: Handverlesene 60 Menschen hörten sich im April 2022 den vorzüglichen Autoren Max Goldt an. Das Zentrum Altenberg sah aus wie leergefegt. Der bekannte Geschichten-Erzähler lockt sonst bei Lesungen problemlos das Sechsfache an. Ein Beispiel, wie schwer die Kleinkunst beim Corona-Neustart aus den Startblöcken kam.

Vor allem intimere Konzerte und Kabarett plagten noch im vergangenen Jahr ausbleibende Besucher, was existenzielle Ängste auslöste - bei Künstlern wie Hallenbetreibern gleichermaßen. Ein Jahr später sagt Kevin Kerndl vom Zentrum Altenberg: „Die Kurve zeigt wieder nach oben.“

Das soziokulturelle Zentrum an der Hansastraße mischt Szene-Konzerte mit wöchentlicher Disco und kleinen Lesungen. Der eigene Kabarett-Abend „Nachgewürzt“ ist der Stolz der Kulturellen - musste ab er im vergangenen Jahr ordentlich Federn lassen. „Vorstellungen waren nur zur Hälfte gefüllt. Wir spielen sonst zwei Tage hintereinander - mussten aber einen Termin streichen.“

Zentrum Altenberg: Ticketverkäufe bei Kabarett-Serie ziehen an

Bei der Show mit Benjamin Eisenberg, Christian Hirdes, Marco Jonas Jahn und Matthias Reuter sehen die Macher nun erstmals einen Erholungseffekt. Die Vorstellung am 27. Januar war wieder ausverkauft. Für die Folgetermine am 17. März und 12. Mai wollen die Altenberger es zwar bei einem Termin belassen - danach werde aber die Rückkehr zur Zwei-Termin-Strategie anvisiert. Kerndl: „Wir werden das besprechen. Es sieht ganz gut aus.“

Ebenfalls schwer im Magen lagen die schleppenden Vorverkäufe. „Die Leute haben weit im Voraus kaum Tickets gekauft“, sagt Kerndl. Ob aus Scheu vor neuen Konzert-Beschränkungen. Oder aus Ungewissheit, ob im Krankheitsfall die teuren Tickets überhaupt genutzt werden können.

Doch diese Zurückhaltung sei im Altenberg nun verflogen. Das Static Roots Festival ist ein heimeliges Wohnzimmer-Festival für das Americana-Genre. Kürzlich haben die Macher 80 Early-Birds-Tickets, also günstigere Frühbucherkarten, in den Verkauf gegeben. „Die waren innerhalb von zwei Tagen weg, obwohl das Festival erst am 7. und 8. Juli startet.“

Zudem rolle die letzte Welle schon häufig verlegter Konzerte, wie beim britischen Folk-Sänger Seth Lakeman am 3. März und dem kanadischen Singer-Songwriter-Duo Madison Violet am 9. März. Die Künstler mussten 2020, 2021 und 2022 wegen der Corona-Pandemie passen. Die meisten Fans haben ihre Tickets vor drei Jahren gekauft, diese aber immerhin behalten. Kerndl: „Hoffentlich haben sie den neuen Termin auf dem Schirm.“

Ebertbad: Veranstalter raten bei Stars der Szene zur Eile

Im 400 Gäste fassenden Ebertbad kann Betreiber Tobias Voss die Trendwende bestätigen. „Wir sind noch nicht auf dem Stand aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Doch die Ticket-Käufe haben sich erholt.“ Das Kultur-Bad liege im Schnitt bei 65 Prozent Auslastung. Im Weihnachtsgeschäft deutlich höher.

Voss: „Die Trendwende haben wir nach Ende der Herbstferien gespürt.“ Danach habe sich das Interesse an Kabarett-Bekanntheiten und Bühnen-Geheimtipps nach und nach erhöht. In Corona-Zeiten musste das Ebertbad allerdings durch das Tal der fehlenden Lacher. Selbst Stars der Szene zogen kaum.

Das sieht heute anders aus. „Bei besonders begehrten Veranstaltungen empfehlen wir unseren Gästen, nicht zu lange zu warten. Die Termine sind schnell ausverkauft.“ Dazu zähle die von Gerburg Jahnke inszenierte Eigenproduktion „Die Abrechnung“. Ebenfalls gut verkaufe sich die am 21. Februar in die größere Luise-Albertz-Halle ausgelagerte Show von Fußball-Romantiker Arndt Zeigler.

Indie Radar Ruhr: Fans kehren zurück - mehr Aufwand nötig

Die Zeit des Erwachens funktioniert Genre-übergreifend. Auch bei Indie-Konzerten habe sich der Ticketverkauf stabilisiert, sagt Veranstalter Maximilian Janetzki von Indie Radar Ruhr. Doch die Veranstalter müssten in der Branche mehr Aufwand und Promotion betreiben, um Konzertbesucher zu erreichen.

Am 5. Februar gastiert der Singer-Songwriter Brookln Dekker im Gdanska. Vor der Pandemie hätte der US-Amerikaner wohl eher das größere Ebertbad füllen können. Dekker spielt hierzulande immerhin bei großen Open-Air-Festivals wie dem Juicy Beats im Dortmunder Westfalenpark. Von 200 Tickets sind noch 40 Karten verfügbar.

Große Szene-Künstler spielten noch in ungewöhnlich kleinen Sälen - diese seien dann aber gut verkauft. Janetzki wollte in den ersten sechs Monaten des Jahres noch zurückhaltend planen. Mittlerweile stehen aber schon wieder sieben Konzerte im Kalender. Tendenz steigend.

Der Planer von Indie Radar Ruhr hat in die Szene hineingehorcht. Viele Künstlerinnen und Künstler wollen im Herbst 2023 wieder groß angreifen. Dieser Zeitraum habe sich aber immer weiter nach vorne verlagert - und bietet Independent-Labels unverhofft die Chance, bekanntere Name zu verpflichten. „Es ist ein ständiger Wechsel von Gas und Bremse. Momentan treten wir wieder fest aufs Gaspedal.“

>>> Arena und Turbinenhalle - Zahl der Konzerte steigt

Auch große Konzerthallen spüren wieder ein steigendes Interesse. Die Termine nehmen in der Rudolf-Weber-Arena und in der Turbinenhalle wieder zu.

Auch hier waren wegen der unsicheren Planungslage Konzerte verschoben oder abgesagt worden - so wie Ende Januar das Gastspiel der Deutsch-Rocker von Revolverheld neben dem Centro Oberhausen.