Oberhausen. Schriftsteller, Musiker - und vorzüglicher Geschichten-Erzähler: Max Goldt liest groß im Zentrum Altenberg. Die Kulisse enttäuscht allerdings.

Ja, wenn Max Goldt liest - dann geht es Buchumschlag auf Buchumschlag voran. Am Samstagabend schenken die Zuhörer dem Schriftsteller und Musiker aus Göttingen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Eine wahrhaft weise Wahl. Mit gut 50 Zuhörern bleibt es im großen Eisenlager des Zentrum Altenberg allerdings eher übersichtlich. Schade!

Der 63-Jährige bewegt sich aber auch bei Wohnzimmer-Atmosphäre elegant durch die deutsche Sprache - wie eh und je. Er erzählt mit dieser fast andächtigen, ruhigen Stimme, die einem seine absurd-normalen Geschichten wie eine feine Zeichnung in den Kopf transportiert. Mit dem Illustrator Stephan Katz ist Max Goldt schließlich auch für die „Katz & Goldt“-Comics im Satire-Magazin „Titanic“ verantwortlich.

Max Goldt: Wunderschön abschweifen - pointiert witzeln

Und was macht der Mann aus Göttingen, der eigentlich Matthias Ernst heißt, bei einer zweistündigen Lesung? Das, was er am besten kann: Warum geradlinig erzählen, wenn man so schön abschweifen kann?

Dies reicht mitunter so weit zurück, bis man in der Nachwendezeit landet. Er liest „Rille Ralle Ritze Ratze“, ein schmackhafter Max Goldt, Jahrgang 1991. Das Werk gehörte nie zu seinen Lieblingstexten, wie der Autor zugibt. Doch bei seinen Anhängern erfreut sich der Klassiker großer Beliebtheit. So sehr, dass der Autor ihn überarbeitete, aber nicht aktualisierte - und mit einem neuen Text in eine unwiderstehliche Collage verwandelte.

Es geht darin um viel, aber eben auch um die Werbefigur Karin Sommer und eine alte Kaffee-Werbung, der Max Goldt bei seinen Beobachtungen die Krone aufsetzt.

In einem Spot taucht die bekannte Kaffee-Botschafterin aus dem Fernsehen neben der Gastgeberin einer Hochzeitstafel auf, deren Kaffee floppt. Bis, ja bis Karin Sommer die bevorzugte Bohnen-Marke unter dem Tisch hervorzaubert - und den Tag bewusst zu spät rettet? Ganz schön diabolisch, findet Goldt. Und überhaupt. „Wie kann man sie nur einladen - und dann schlechten Kaffee servieren?“

Max Goldt: Ältere Geschichten zwischen Nostalgie und Retro

Eine Geschichte, die trotz D-Mark und herunterfliegenden Bällen aus der Sat1-Werbung weiterhin bestens funktioniert, zumal die alten Werbespots heute noch in großer Anzahl bei YouTube zu finden sind. „Für die Älteren ist es Nostalgie. Für die Jüngeren ist es Retro.“

Goldt lässt die Besucher gedanklich weiterreisen. Zur Wahl des „Unworts des Jahres“, ganz nebenbei auch die Wahl zum „Sexiest Man alive“, praktischerweise in einer Gala vereint und überflüssigerweise von Anke Engelke und Jörg Pilawa moderiert. Die von Goldt erdachte Szenerie ist eine Spielwiese für Pointen. Eine Geschichte von Popcorn-knuspernden Zuschauern und Journalisten, die ihre Tabletten nicht genommen haben und ihre Notizen nicht lesen können.

Das alles sind nur Extrakte von Goldts, wie aus Spinnenweben-Mustern gewebten Geschichten. Es geht wunderbar in die Breite, wenn er über Sodbrennen und Snobismus erzählt. Und erklärt, wie eine Hipster-Familie mit dem solitär sitzenden Mann am Nachbartisch umgeht.

Letztlich können Zuhörer machen, was sie wollen: Bei dieser genüsslich-amüsanten Lesung bleiben alle kleben.

>>> Wohlige Wortbeiträge beim zweitägigen „Nachgewürzt“

Im Zentrum Altenberg müssen die Besucher nicht allzu lange auf weitere Wortbeiträge warten. Die Kabarett-Reihe „Nachgewürzt“ bittet am 13. und 14. Mai (Freitag und Samstag) an die Hansastraße 20.

Diesmal begrüßen Benjamin Eisenberg, Christian Hirdes, Marco Jonas Jahn und Matthias Reuter den Kleinkunst-Könner Peter Fischer. Karten: 17 bis 21 Euro.