Oberhausen. Zum Ausstellungsprogramm 2023 im Schloss Oberhausen zählen „Momo“-Erzähler Michael Ende und der schwarz-weiße Fotojournalismus von Barbara Klemm.
Eine hinreißende Schule des Sehens nähert sich ihrem Jubiläumsjahr: Die Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen hatte zwar ihr 20-jähriges Bestehen schon mit Wonne zelebriert – doch 2023 naht mit dem 25-jährigen ein noch „runderes“ Jubiläum. „In einer Zeit, in der alles vom Bild dominiert wird“, sagte damals Christine Vogt, seit nun bald 15 Jahren Direktorin des Hauses, „ist es umso wichtiger, Bilder lesen zu können“.
Unter diesem Aspekt darf man den Auftakt des Ausstellungsjahres als überaus glückliche Fügung betrachten: Denn etliche Fotografien von Barbara Klemm haben mehr zu erzählen als so mancher breit ausholende Korrespondentenbericht. Die vor 82 Jahren in Münster geborene Tochter einer Gräfin von Westphalen schuf bis zu ihrer Pensionierung 2005 in fast 40 Berufsjahren als Redaktionsfotografin der FAZ eine Fülle „ikonischer“ Aufnahmen. Mag dieses Prädikat heute inflationiert bis abgenutzt erscheinen – Bilder wie jenes von Leonid Breschnew und Willy Brandt beim „Tête à Tête“, umringt von Dolmetschern und Fotografien, sind im durchinszenierten heutigen Politikbetrieb kaum noch vorstellbar.
„Schwarz-Weiß ist Farbe genug“, lautet der treffliche Titel für die ein halbes Jahrhundert umfassende Retrospektive, welche die Ludwiggalerie hintersinnig mit Klemms Porträt von Andy Warhol vor dem berühmten Bildnis Goethes „in der Campagna“ bewirbt: Pop Art und der Olympier der Klassik treffen einander im Frankfurter Städel, dem „Home Turf“ der Fotografin. Ein großer Aufschlag zum Auftakt des Galerie-Jubiläums, zu erleben vom 22. Januar bis 7. Mai 2023.
Zwölf Museen tragen den Namen Ludwig
„Für Fotografie-Ausstellungen bekommen wir inzwischen die besten Leihgaben“, das sagte Christine Vogt schon im Interview zum „20.“ ihres Hauses. Ein weiteres gewichtiges Pfund, mit dem die Ludwiggalerie wuchern kann, ist der Verbund der direkt oder indirekt vom Großmäzen Peter Ludwig (1925 bis 1996) begründeten Museen. Zwölf tragen seinen Namen und weitere 20 weltweit verfügen über wesentliche Bestände aus den Sammlungen des Süßigkeiten-Industriellen.
Unter dem (unnötig englischen) Titel „It’s a Passion!“ präsentiert das Schloss Oberhausen mit stolzen Fanfaren zum „25.“ die Porzellane aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig. Einen Vorgeschmack dieser köstlichen Rokoko-Figurinen lieferte vor fünf Jahren schon die Ausstellung „Die Geste“. Jetzt lautet das (im „Passions“-Titel missverständliche) Thema „Berufe“, präsentieren sich vom 14. Mai bis 17. September 2023 Bauern und reisende Quacksalber, Hirtin und Schneider, Hutverkäuferin und Tanzmeister, Colombine und Soldaten in feinstem Meißener Porzellan.
Als Fortsetzung der aktuell laufenden und nicht nur für Kinder hinreißenden Otfried Preußler-Schau folgt im Großen Schloss vom 24. September 2023 bis zum 14. Januar 2024 eine Hommage in Bildern für den großen Erzähler Michael Ende (1929 bis 1995), in München aufgewachsen als Sohn des surrealistischen Malers Edgar Ende – dessen Kunst vom NS-Regime als „entartet“ geschmäht wurde.
Michael Ende, der permanent Unterschätzte
Die „Fantastische Reise mit Jim Knopf, Bastian und Momo“, so der Ausstellungstitel, erlebte der Autor selbst als permanente Unterschätzung durch das bundesdeutsche Feuilleton. „Man darf von jeder Tür aus in den literarischen Salon treten, aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür“, schrieb Michael Ende in seinem römischen Exil, „nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür.“
Die allerdings öffnete sich in alle Richtungen – von der Augsburger Puppenkiste bis zur aufwendigen Verfilmung im Hollywood-Großformat. Im Theater Oberhausen war die „Unendliche Geschichte“ zuletzt als imposantes Kinder-Musical während der Intendanz von Peter Carp zu erleben. Mit ihrem Reigen der Buchillustratoren beschert die Ludwiggalerie im kommenden Herbst allen Junggebliebenen ein Wiedersehen mit F. J. Tripp, der schon Preußlers „Räuber Hotzenplotz“ mit Kugelbauch und sieben Messern ausstaffierte. Auch Jim Knopf, Lukas und Emma gab er markantes Profil. Regina Kehn entwickelte das verrückte Figurenensemble des „Wunschpunsch“ und Roswitha Quadflieg ziselierte für die „Unendliche Geschichte“ schönste Initialen. Für eine De-luxe-Ausstattung dieses Bestsellers sorgte Sebastian Meschenmoser, dessen farbenprächtigen Ölgemälde zum Blickfang der Ausstellung avancieren dürften.
Blickfänge bietet stets auch die Panoramagalerie auf der Kaisergarten-Seite des Schlosshofes: Sie startet „Ausgezeichnet!“ ins Jubiläumsjahr – nämlich mit den jüngsten Gewinnern des „Max und Moritz“-Preises, alle zwei Jahre ausgeschrieben vom Comic-Salon Erlangen, dem Gipfeltreffen der „neunten Kunst“ im schönen Mittelfranken. Die Preisträgerschau öffnet vom 5. Februar bis 11. Juni.
Landschaftsbilder in Lackfarben und Neon
14 Tage später präsentiert der Kunstverein Oberhausen an gleicher Stelle die elegischen bis spektakulären Landschaftsbilder von Sven Drühl aus Berlin, der gipfelstürmende Panoramen auch aus Neonlichtern komponiert. „Von hier“ schließlich heißt so knapp wie treffend die Gemeinschaftsschau des Arbeitskreises Oberhausener Künstler (AOK) vom 22. Oktober 2023 bis 21. Januar 2024.
Die aktuellen Ausstellungen bis Januar 2023
Zur Otfried-Preußler-Schau „Räuber Hotzenplotz, Krabat und die kleine Hexe“ bietet das Team der Ludwiggalerie wieder ein umfangreiches Begleitprogramm – nicht nur für Kinder. Infos zu Führungen, Hexen- und Gespenstertagen gibt’s online auf ludwiggalerie.de. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro.
In der Panoramagalerie zeigt die erneuerte Ausstellung „Aufbruch macht Geschichte“ des Stadtarchivs die Stadt im Wandel und blickt sowohl 175 Jahre zurück – als auch in die Zukunft des Jahres 2040. Im Kleinen Schloss ist der Eintritt frei.