Gladbeck. Sven Drühl präsentiert aktuelle Arbeiten in der Neuen Galerie. Als Vorlage verwendet der Künstler auch am Computer erstellte Landschaftstexturen
„In der Gegenwartskunst gibt es nicht mehr viele Künstler, die sich allein mit Landschaftsmalerei auseinandersetzen“, sagt Sven Drühl. In soweit wäre der Wahlberliner dann ein Exot, da er sich eben diesem Genre im Speziellen widmet. Ein Teil seiner jüngsten Arbeiten sind jetzt in der Neuen Galerie zu sehen. Drühl ist seit 2002 zum dritten Mal in Gladbeck, stellt nun aber zum ersten Mal alleine aus.
Zu sehen sind großformatige, grafisch anmutende Landschaften in Hell-Dunkel-Tönen, die Ausschnitte eines Bergmassives, eines Gletschers oder in den Himmel aufragende, blattlose Baumkronen zeigen. Natur, die unbewegt, wie eingefroren wirkt, auch wenn die Wellenkämme eines Ozeans abgebildet werden. Alles ist klar strukturiert, irgendwie auch aufgeräumt und sauber, was Brühl (Jahrgang 1968) selbst widerspiegelt, der zugibt, „ein gut strukturierter Mensch zu sein“ – auch wenn sich das in seinem Atelier weniger zeige, wohl aber in seiner Wohnung.
Gut strukturierter Mensch
Dass Drühl es mag, sich selbst Struktur zu geben, sieht man auch an den ältere Arbeiten, bei denen er sich mit Silikon zunächst die haltgebenden Umrisse etwa eines Felsmassivs vorgab, um sie dann mit Lackfarbe auszugestalten. Solche schwarz-monochromen Arbeiten sind im kleineren
Nebenraum der Galerie zu sehen. Ihre Strukturen belebt der vorbeigehende Betrachter selbst, da sich durch den verschiebenden Blickwinkel verändernde Lichtspiegelungen ergeben, die mal den Himmel, mal die Felsstruktur hervorheben. Mit dem hellblauen Licht, das von Drühls leuchtendem Neonröhren-Berg an der Stirnwand auf den glänzenden oder matten schwarzen Lack fällt.
Landschaft in der Düsternis, die zeigt, dass Drühl durchaus die Dunkelheit mag, auch wenn er dann nicht in den Berg-, sondern eher den Häuserschluchten Berlins unterwegs ist, um bis in die Frühe in einem Club als DJ aufzulegen. Musik verschiedener Richtungen, „nicht nur düsterer Dark Wave wie Joy Division“, sagt er, obgleich deren Album-Cover „Unknown Pleasures“ an eine Berglandschaft in seinem Stil erinnert.
Leidenschaft für flotten Swing-Tanz der 1930er Jahre
Dass es Drühl im Gegensatz zu seinem eher starren Bildwerk durchaus auch lebhaft beschwingt mag, spiegelt seine weitere Leidenschaft: Lyndi Hop. Flotter Swing-Tanz aus den 1930er Jahren der USA, der sein Revival erlebt und den der Künstler mittlerweile so gut beherrscht, dass er den Paartanz unterrichtet. Für ihn auch „ein Gute-Laune-Macher“, um seine Batterien wieder für die hochkonzen-trierte Arbeit im Atelier mit Lack, Abdeckfolie und Skalpell aufzuladen, verrät Drühl.
Vortrag führt zur Eröffnung in das Werk ein
Die Ausstellung „Painting Engineer“ von Sven Drühl wird am Freitag, 19. Januar, um 19.30 Uhr in der Neuen Galerie an der Bottroper Straße eröffnet.
Zur Eröffnung spricht Bürgermeister Ulrich Roland. Dr. Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums Hannover, wird in das Werk einführen.
Hatte der Künstler in der Vergangenheit zunächst Werke großer Landschaftsmaler wie Caspar David Friedrich oder Ferdinand Hodler (Bergmassive) in Ausschnitten adaptiert und diese wiederbelebte Malerei wie Fotos wirken lassen, so verwandelte er dann – wie in der Neuen Galerie zu sehen ist – vielfach Fotos von zeitgenössischen Künstlern wie Sebastiao Salgado (Gletscher) oder Wolfgang Tilmans (Wellenkämme) quasi zurück in Malerei. Um nun, in den neuesten Arbeiten, noch einen Schritt weiter zu gehen: die Loslösung von dem aus der Natur entnommenen Bild.
Neben Kunst auch Mathematik auf Lehramt studiert
Denn jetzt wird der Künstler noch mehr zum „Painting Engineer“, wie auch die Gladbecker Kunstschau betitelt ist. Sven Drühl verwendet Texturen von künstlichen Landschaften, die er aus den Hintergründen von Computerspielen als Vorlage extrahiert. Virtuelle Welten, um daraus Landschaftsbilder in Lack zu schaffen, die sich auf zum Abbild gewordene Mathematik, auf Computergrafik, beziehen.
Und damit schließt sich auch der Kreis, bezogen auf Drühls Faible für Zahlen, der neben Kunst auch Mathematik auf Lehramt in Essen studierte. Denn jeder Mathematiker weiß auch, dass sich durch fraktale Darstellungen, also aus rechnerischen Gebilden und Mustern, realistisch angenähert Objekte aus der Natur darstellen lassen – zum Beispiel eben zerklüftete Berglandschaften oder tosende Ozeane.