Oberhausen. Vier Klimaanlagen für 700.00 Euro beenden Jahre des Improvisierens: Für kostbaren Bestand der Kurzfilmtage ist konstantes Klima entscheidend.

Den zahlreichen Besuchern am Tag der offenen Tür im alten Hauptschul-Komplex an der Eschenstraße blieb’s nicht verborgen: Das Stadtarchiv ist derzeit vielerorts eine Baustelle: Spektakulär eingehüllt, im Geiste von Christo, präsentieren sich die wandhohen Aktenschränke, aus denen nur noch die großen Kurbeln herausragen. Für das „Gedächtnis der Stadt“ – und mehr noch für die empfindlichen Filmschätze der Internationalen Kurzfilmtage – bedeutet es eine gute Nachricht: Die Jahre des Improvisierens sollen im Frühjahr 2023 beendet sein.

Bisher betätigten sich Mitarbeiter des Archivs stetig als „Wasserträger“, um nach dem Wochenende die in mobilen Luftentfeuchtern angesammelte Flüssigkeit zu entsorgen. Nur mit viel Einsatz und konstanter Kontrolle der kritischen Messwerte ließ sich bisher ein Schaden am kostbarsten Archivgut verhindern. Im Juli 2019 hatte die WAZ über die seit der Eröffnung des Magazingebäudes drei Jahre zuvor völlig unzureichende Klimatechnik berichtet. Die über 2000 Filme des Oberhausener Traditionsfestivals – darunter Frühwerke internationaler Regie-Größen von Werner Herzog bis George Lucas – waren nach dem Umzug aus dem Keller der Kufita-Villa nicht gemäß internationalen Standards geschützt, sondern akut gefährdet.

Kunstvoll verpackte Archivschränke während der Arbeiten im Stadtarchiv: Akten, die hier lagern, sind derzeit nicht zugänglich.
Kunstvoll verpackte Archivschränke während der Arbeiten im Stadtarchiv: Akten, die hier lagern, sind derzeit nicht zugänglich. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Doch wir haben alles getan“, betont Magnus Dellwig, der Leiter des Stadtarchivs, „dass trotzdem gute Klimabedingungen herrschen“. Für das historische Papiergut heißt das: Gefordert sind 18 Grad Celsius bei höchstens 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Im Filmarchiv sollten konstant 11 Grad Celsius und 35 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen. „Die mit dem Archiv 2015 eingebaute Klimaanlage lieferte keine stabilen Feuchtigkeitswerte“, so Dellwig. Gefragt war während der letzten vier Jahre der ständige Blick auf die von etlichen Sensoren gelieferten Klimadaten – und der Dauereinsatz von mobilen Trocknungsgeräten. „Deren Wassertanks waren montags voll“, erzählt der Stadtarchivar sachlich.

Photovoltaik-Anlage auf dem Dach

Wichtig waren Magnus Dellwig sowie den Partnern bei Kurzfilmtagen und SBO (den Servicebetrieben Oberhausen) eine nun nachträglich eingebaute Klimatechnik, die zuverlässig alle geforderten Werte einhält: Für 700.000 Euro sind das insgesamt vier Klimaanlagen – wie sie eigentlich beim Bau des mit einem Mosaik-Fries geschmückten Magazingebäudes hätten installiert sein müssen. Doch diesen Punkt kann Dellwig guten Gewissens übergehen: „Wir waren alle beim Bau des Magazins noch nicht dabei – und wollen nicht nach hinten, sondern nach vorne gucken.“ Historiker halten es sonst genau andersherum.

Magnus Dellwig lobt die gute Zusammenarbeit mit den städtischen Gesellschaften: erst OGM, jetzt SBO.
Magnus Dellwig lobt die gute Zusammenarbeit mit den städtischen Gesellschaften: erst OGM, jetzt SBO. © FFS | Oliver Mengedoht

Im Blick nach vorne verweist der Leiter des Stadtarchivs auf die ebenfalls in den nächsten Monaten aufs Dach rückende Photovoltaik-Anlage. Zu diesem „Leasing-Modell“, so Dellwig, habe man sich bereits 2021 entschieden, „unabhängig von der aktuellen Energiekrise“. 600 von fast 800 Quadratmetern Dachfläche des Archivs lassen sich für die Anlage nutzen – und können die neue Klimatechnik damit sogar autark halten.

Filme lagern im schneeweißen Klima-Container

Bis es soweit ist, wird (angestrebt wird nach einigen Verzögerungen nun Ostern 2023), parkt ein schneeweißer Container im einstigen Schulhof: Das Präzisionsgerät der Thermobil GmbH aus Dormagen bewahrt auf kleiner Fläche, dicht an dicht gepackt, während der Bauarbeiten das Filmarchiv mit seinen 2000 flachen Kunststoffdosen. Deren Inhalt, versichert Magnus Dellwig, sei vor dem gefürchteten Schimmelbefall sicher: „Wir waren nah dran an den geforderten Klimawerten und gehen davon aus, dass die Filme keinen Schaden genommen haben.“

Nur ein Teil der Akten ist derzeit zugänglich

Das Stadtarchiv bleibt während der halbjährigen Bauarbeiten geöffnet, kann aber nicht alle Akten vorlegen, weil manches nun in aufwendig vollverhüllten Regalen ruht. „Nach Anzahl der Kundenkontakte“, weiß Stadtarchivar Magnus Dellwig, haben die historischen Zeitungen und Dokumente zum Personenstand das größte Gewicht: „Deren Digitalisierung kommt uns jetzt zugute.“

Der Zugang zum Archiv an der Eschenstraße 60 in Lirich ist barrierefrei. Die Öffnungszeiten sind dienstags und donnerstags von 9 bis 15 Uhr. Eine Anmeldung ist erforderlich unter 0208 3095 2090, per Mail an stadtarchiv@oberhausen.de.