Oberhausen. Mit dem Umzug von 1500 Kurzfilmen von der Gründerzeit-Villa ins Stadtarchiv erfüllen die Kurzfilmtage internationale konservatorische Vorgaben.

  • Der klimatisierte Neubau des Stadtarchivs bietet den Schätze beste Bedingungen
  • Alte Blechdosen waren bereits zu Jahresanfang ein Geschenk an viele Filmfans
  • Spezielle Bestände – wie jene aus Jugoslawien – sind ein Schatz für Forscher

An heißen Tagen öffnet sich die schwere Eisentür im Neubau des Stadtarchivs zu einem kleinen Klimaschock: 20 Grad Temperatur-Unterschied wecken im T-Shirt-Träger ganz plötzliches Verlangen nach einem wolligen Pulli. „11 bis 12 Grad“, sagt Carsten Spicher kühl, „und möglichst niedrige Luftfeuchtigkeit, 45 Prozent“. Das sind die Idealbedingungen, um anfälliges Filmmaterial zu konservieren.

Das Filmarchiv der Kurzfilmtage ist aus dem Keller der Villa in der Grillostraße umgezogen in die Liricher Eschenstraße – und hat Filmfans zum Abschied bereits im Winter ein kleines Fest bereitet. „Wir sind überrannt worden“, erzählt Archivleiter Spicher begeistert. Man hatte 1500 historische Filmdosen aus Blech an Selbstabholer verschenkt, die erwartungsvoll vor der Villa Schlange standen.

Der jahrzehntelang als Filmarchiv genutzte Keller der 119 Jahre alten einstigen Direktorenvilla der Zeche Concordia ließ sich zwar klimatisieren – jedoch nicht so, wie es das Reglement des Internationalen Verbands der Filmarchive vorsieht. Diese FIAF-Vorgaben sind im Neubau des Stadtarchivs jetzt erfüllt.

In den elf Grad kühlen Regalen ist nun auch Platz für Zuwachs: Jedes Jahr erwerben die Kurzfilmtage Filme aus dem aktuellen Programm für ihren Verleih und für ihr Archiv. Da Filmkopien sich im Lauf der Jahre abnutzen oder sogar zersetzen, ist die Erhaltung des Bestands ein andauernder Prozess – begleitet von ständigen Formatwechseln.

Frühwerke von Polanski und Lucas

Neben den runden Filmdosen – jetzt aus dem beständigsten, für die Filme unschädlichen Kunststoff – gibt’s auch Regale mit „Beta SP“-etikettierten Schachteln. „Das war damals eine Glaubensfrage“, erinnert sich der 49-jährige Filmarchivar. Erst Mitte der 1980er wurden Video-Kassetten für die Kurzfilmtage zugelassen. Gut zehn Jahre später folgten DVDs. „Die lieben wir nicht“, sagt Carsten Spicher. Man wisse nie, wann das Bild „gefriert“ – bevorzugt nach einem problemlosen Testlauf. Längst erhalten die Kurzfilmtage neuere Werke in Gestalt digitaler Datensätze.

Etlichen alten Schätzen steht diese Umwandlung noch bevor. Fortlaufend prüft das Archiv-Team Kopien, um sie zu digitalisieren. „Für unsere analogen Formate“, betont Carsten Spicher, „brauchen wir weiter die passenden Geräte“ – inklusive des Beta-tauglichen Videorekorders. Der Filmarchivar sieht die Zeit kommen, in der Ersatzteile für die Abspieltechnik des späten 20. Jahrhunderts fehlen werden. „Es macht die Sache nicht leichter.“

Das Filmarchiv der Kurzfilmtage arbeitet mit einem einzigartigen Bestand. Ende der 1950er Jahre ins Leben gerufen, enthält es heute mehr als 2000 Titel aus über 60 Jahren Festivalgeschichte – darunter die ersten 1500 in den vertrauten runden Filmdosen. „Sie wurden anfangs einfach nach Eingang durchnummeriert“, weiß der Archivleiter seit 2001. Tatsächlich, „Nr. 7“ lässt sich ganz links hinter der Tür auf Anhieb finden. „Heute haben wir natürlich komplexere Signaturen.“

Unter den Kopien im Archiv sind Kurzfilme so großer Regisseure wie Roman Polanski, der 1961 das 15-minütige Werk „Der Dicke und der Dünne“ einreichte – ein Jahr vor seinem ersten internationalen Erfolg mit dem Psychothriller „Das Messer im Wasser“. Das Archiv birgt Frühwerke von George Lucas, Werner Herzog und Alexander Kluge.

Für Filmhistoriker besonders interessant sind große Bestände aus dem früheren Jugoslawien – darunter Filme, von denen im Stadtarchiv nun die einzige erhaltene Kopie lagert. Und es gibt die Erinnerung an ein fast vergessenes Festival im Festival: Von 1968 bis 1975 präsentierte Oberhausen auch die „Sportfilmtage“. Es gibt sogar beide Kategorien in Kombination: in Gestalt des 90-Sekunden-Boxkampf-Zeichentrickfilms „Black Power“ des Jugoslawen Borislav Sajtinac.