Oberhausen. Zwischen Relikten der Montanindustrie wummert grubentiefer Bass. Doch hinter dem Peter-Behrens-Bau in Oberhausen lockte keine Freiluft-Diskothek.

Die Sonne ist über den Dächern der Neuen Mitte längst untergegangen. Die grellen Neonlichter am Centro Oberhausen und der Rudolf-Weber-Arena schimmern schon in der Nachbarschaft. Doch an diesem Samstagabend sorgen hinter dem Peter-Behrens-Bau sechs Tänzer und Tänzerinnen für die wahren Highlights.

Der gebürtige Siegener Künstler Søren Siebel hat sich „The Space Of Unknowing – Epilogue“ ausgedacht. Passend zu Mischa Kuballs Licht- und Klanginstallation „future_grid“ bringt die ungewöhnliche Performance an der Straße Alte Walz die Sinne in Wallung.

Hören, sehen - und manchmal sogar spüren. Atemlos geht es nicht durch die (frühe) Nacht. Auch wenn zwischen Nickelwalzen und Schmiede-Relikten vieles nach einer Tanzfläche aussieht, gibt es hier kein Halligalli. Es legt sich ein meist feiner, manchmal brachialer Elektro-Klangteppich mit einem grubentiefen Bass über die Köpfe der Besucher.

Futur 21: Besucher werden in die Performance hineingezogen

Eine gute halbe Stunde Spielzeit fasst die nur dezent leuchtende Performance beim Kulturfestival "Futur 21" recht kompakt zusammen. Aber die Besucher, vielleicht 60 oder 70 (es gilt die 3G-Regel), fühlen sich förmlich in die Installation hineingezogen. Betrachter und Zuhörer sind mittendrin statt nur dabei - hier kann man es wörtlich nehmen.

Sie machen das, was Künstlerinnen und Künstler sonst die Zornesröte ins Gesicht treiben würde. Sie laufen kreuz und quer durch die Szenerie. Sie rücken den sechs Tänzerinnen und Tänzer auf die Pelle. Und drängen sich zwischen Lichtprojektoren und Industrie-Exponate, auf denen grelle Gittermuster projiziert sind. Das alles ist nicht erlaubt - sondern erwünscht.

Die Musik-Boxen umrunden die Kulisse samt der gespitzten Zuschauer-Ohren wie Surround-Lautsprecher im Kino. Die Ambient-Musik schallt manchmal so laut, dass sie noch weit bis zum Centro zu hören ist. Zu einer Zeit, als dort gerade die Geschäfte schließen. Und in der Arena Oberhausen drängen zeitgleich die Besucher beim Konzert der iranischen Sängerin Googoosh auf den Raucherbalkon - verblüffte Blicke überall.

Futur 21: Tanz-Sextett schleicht durch beleuchtete Industriekulisse

Es kommt zu amüsanten Begegnungen. Centro-Besucher mit Einkaufstüten verlaufen sich beim Heimweg zum Auto zwischen das Fachpublikum auf dem schon sehr düster gestalteten Performance-Areal. „Disco?“, „Nein, Kultur!“, „Verstehe!“

Verstehen ist sowieso nicht unbedingt Voraussetzung, um bei „The Space Of Unknowing – Epilogue“ zuzuhören. Während das Sextett auf Klang-Kommando ruckartig plötzlich, sonst hypnotisch langsam durch die enge Szenerie tanzt, können Zuschauer immer wieder neue Details entdecken. Eine feinfühlige Sinneserfahrung.

Ob bei „The Space Of Unknowing – Epilogue“ nun Licht, Klang, Industrie-Kulissen oder die Tanzenden den größten Eindruck vermittelt, kann jeder für sich selbst entscheiden.

>>> St. Antony-Hütte: Ausgrabungsstätte wird zum Labor

Das Festival "Futur 21" steht für Projekte rund um Kunst, Industrie und Kultur in verschiedenen deutschen Städten. In Oberhausen stehen vom 19. bis 26. März weitere Termine an der St. Antony-Hütte in Klosterhardt an.

Das „storyLab kiU“-Forschungsprojekt der Fachhochschule Dortmund verwandelt die industriearchäologische Ausgrabungsstätte der St. Antony-Hütte in ein spekulatives Labor, in dem Vergangenheit und Zukunft ineinandergreifen.