Oberhausen. In einer Doppelausstellung führt die Ludwiggalerie die Fotos von Rudolf Holtappel sowie die Karikaturen und Gemälde von Walter Kurowski zusammen.

Wenn es um die Not und Härten des Reviers geht, dann zeigt sich der sonst sachliche bis hintergründig-humoristische Fotograf nahezu poetisch im Bildaufbau. Und der schwungvolle Karikaturist greift zur knalligen Protestfahne: So malt Walter „Kuro“ Kurowski 1983 einen dramatisch formatfüllenden „Rostgockel“. 18 Jahre zuvor illustrierte Rudolf Holtappel „Die letzte Schicht“ für die Bergleute mit einer traurigen Pfütze, in der sich kopfstehend ein Förderturm spiegelt.

Kuros zweite Liebe – gleichauf mit der bildenden Kunst: Für die Musik steht dieses schwungvolle „Jazz“-Blatt.
Kuros zweite Liebe – gleichauf mit der bildenden Kunst: Für die Musik steht dieses schwungvolle „Jazz“-Blatt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Ruhrgebietschronist trifft Kulturlegende“ nennen Miriam Hüning und Kerrin Postert die gemeinsam kuratierte Doppel-Ausstellung zweier Oberhausener Institutionen: Rudolf Holtappel (1923 bis 2013), der als „Chronist“ den Auslöser seiner Kamera wie ein Florett bediente und die Verrücktheiten seines Reviers pointiert anpikst. Stadtkünstler Walter Kurowski (1939 bis 2017) dagegen liebte zwar die Detailfülle des Wimmelbildes und das üppige Kolorit (wenn er denn zu Farben griff). Aber er konnte als Plakatkünstler und Karikaturist auch derbe mit dem Breitschwert zulangen.

Grafiken und Fotografien im innigen Gespräch

Florett gegen Säbel: Im großen Schloss zeigen sich die Künstler, deren beider Nachlässe die Ludwiggalerie durch ihre jungen Kustodinnen nun nahezu komplett erschlossen hat, nicht als Kombattanten – sondern kongenial. Wo eigentlich die erste große Überblicksschau zur Kunst auf Plattenhüllen vorgesehen war, können nun nicht nur Lokalpatrioten dank dieser „foto_grafischen Begegnung“ (so der Untertitel der Schau) gleich zwei wichtige Ausstellungen „nachholen“, die in den beiden Vorjahren schwer an den Kultur-Lockdowns gelitten hatten.

Ein wenig ist hier Kuro mit seinem üppigen Oeuvre dann doch der Gewinner: Schließlich war seine Solo-Werkschau zuvor nur in der Panoramagalerie zu sehen. Jetzt ergänzte Kerrin Postert die Auswahl um einige bemerkenswerte Grafiken und Gemälde, die ganz hervorragend mit den Fotografien des 16 Jahre Älteren ins Gespräch kommen. Eindrücklich ist das schon beim Entree ins Schloss zu sehen: Kuros Geniestreich, der Rheinhausener Brücke voller demonstrierender Stahlarbeiter eine Grimasse wie auf Edvard Munchs „Der Schrei“ zu verpassen, hat eben doch mehr Verve als Holtappels chronistische Fotografien vom Arbeitskampf.

Kongenial: Die Fotos der Oberhausener Handke-Uraufführungen von Rudolf Holtappel neben Kuros Plakat für „Kaspar Hauser“.
Kongenial: Die Fotos der Oberhausener Handke-Uraufführungen von Rudolf Holtappel neben Kuros Plakat für „Kaspar Hauser“. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Überraschend ähnlich zeigt sich dagegen der Blick von Lichtbildner und Maler auf jene ruinösen Straßenszenen, wie Holtappel sie noch 1959 in der Duisburger Altstadt entdeckte. Höhlenartige Fassaden aus der Tiefe der Revier-Tristesse sah Kuro genauso – und diese herb-gekonnten Werke waren in seiner Einzelausstellung nicht zu sehen gewesen.

Barockes Wimmelbild des Aufruhrs

Gleiches gilt für die grandiosen Theaterplakate des konsequent zum großen Format strebenden Karikaturisten: Kuros Aushang für „Die Räuber“ zeigt eine geradezu barockes Wimmelbild des Aufruhrs. Und der Theaterfotograf der Revoluzzer-Ära von Schauspieldirektor Günther Büch zeigt die Schiller’sche Bande auf Motorrädern. Zu Peter Handkes Oberhausener Uraufführung von „Kaspar Hauser“ zeichnete Walter Kurowski ein nicht minder grandioses, kafkaeskes Schloss-Ungetüm.

Zwei Kataloge und Programm-Highlights

Zwei üppige Kataloge für eine Ausstellung – das erklärt sich aus der Vorgeschichte von „Ruhrgebietschronist trifft Kulturlegende“. Der Holtappel-Katalog erscheint bereits in zweiter Auflage, 272 Seiten stark für 29,80 Euro. Der Kurowski-Katalog mit 160 Seiten kostet ebenfalls 29,80 Euro.

Die Doppel-Schau, sehenswert auch für alle, die schon die Einzelausstellungen besuchten, kostet 8 Euro Eintritt, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro, und bleibt bis zum 8. Mai im Schloss Oberhausen zu sehen.

Weitere Highlights verspricht das Programm: Eva Kurowski erinnert mit einer Lesung aus „Gott schmiert keine Stullen“ am Freitag, 4. Februar, an ihren Vater. Erfolgsintendant Klaus Weise führt am Sonntag, 6. März, „hinter die Kulissen“. Und Frank Goosen erzählt am Freitag, 29. April, von „Oppas Händen“.

In den beiden oberen Etagen des ungleich lichteren Schlosses Oberhausen gehört die Beletage nun dem charmanten Kaufhaus- und Industriefotografen, dessen Aufnahmen für die Henkel’schen Werkszeitschriften erst Miriam Hünings akribische Arbeit erschlossen hat. So geht’s aufwärts vom etwas nostalgieseligen Schmunzeln – zum kurzen und heftigen Schlucken: Denn unterm Dach zeigt sich Walter Kurowski mit seinem ganzen Grimm. Ein meisterhaft gezeichnetes Profil lässt den CSU-Patriarchen Franz Josef Strauß wie den hanseatischen Bilderbuch-Igel Mecki aussehen. Das Blatt von 1988 trägt den Titel: „Beiß dem Strauß in die Nase.“

Virtuos zitiert Walter Kurowski mit seinem Gemälde „Schrei auf der Brücke
Virtuos zitiert Walter Kurowski mit seinem Gemälde „Schrei auf der Brücke" das weltberühmte Vorbild von Edvard Munch. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Noch ruppiger traktiert Kuro, der überzeugte Linke, nur die Seinen: Mit bitterer Wonne hackt sich ein muskulöser Malocher mit einem Beil in die linke Hand – sechs weitere Hände liegen rings um den Hackklotz. „Die Linke wächst nach“ lautet der sarkastische Titel zu dieser in den 1970ern akuten Selbstzerfleischung.

Botticellis Venus als Jazzsängerin

Das Gros der Blätter ist denn doch ungleich freundlicher. Kerrin Postert verweist auf die über 500 Zeichnungen, die der Karikaturist und Musiker allein für die damals wöchentlichen Jazzkarussell-Konzerte schuf. So wird selbst aus der schaumgeborenen Venus von Botticelli eine Jazzsängerin. Und Miriam Hüning fand dazu die punktgenau passenden Aufnahmen Rudolf Holtappels, der (mit Ausnahme der Beatles in Essen) eigentlich keine Gigs fotografierte. Aber Kuro, den Kollegen „Stadtkünstler“, setzte er 2009 denn doch ins Bild: wie traumverloren den Kontrabass zupfend.