Oberhausen. Kerrin Postert erschließt in der Ludwiggalerie den Nachlass von Walter „Kuro“ Kurowski und bereitet die große Ausstellung für 2021 vor.

„Besitz belastet“, sagt Christine Vogt fast philosophisch. Und die Aussicht, eine Woche lang eine große Wohnung mit Atelier auszuräumen, die bis zum Dachboden voller Kunst steckte – „also eine Woche lang umziehen“ – stimmte auch die Direktorin der Ludwiggalerie nicht heiterer. Doch das Kürzel und Prädikat „Kuro“ entschied die Sache. Kurz nachdem die Stadt 2017 den fotografischen Nachlass von Rudolf Holtappel erworben hatte, nahm sie sich auch des Nachlasses von Walter Kurowski an – der einzige, den man in Oberhausen „Stadtkünstler“ nennt.

Unverkennbar Kuro: Dieses Selbstporträt plus Künstlersignatur will die Ludwiggalerie als Hauptwerbemotiv für die Ausstellung nutzen.
Unverkennbar Kuro: Dieses Selbstporträt plus Künstlersignatur will die Ludwiggalerie als Hauptwerbemotiv für die Ausstellung nutzen. © Nachlass Ludwiggalerie | Walter Kurowski

Die große Holtappel-Retrospektive „Die Zukunft hat schon begonnen“ ist noch bis zum 6. September im Großen Schloss zu bewundern. Die Kuro-Werkschau mit dem passenden Dreiklang „Künstler, Karikaturist, Kulturlegende“ eröffnet am 31. Januar 2021. Von rund 3000 Werken aus dem Nachlass hat Kerrin Postert bereits 1600 inventarisiert und digitalisiert – und sich für die Vorauswahl zur Ausstellung gleich einen Extra-Ordner angelegt.

Unterm Dach ganze Restauflagen seiner Plakate

Die 30-jährige Kunsthistorikerin erschließt seit April vorigen Jahres den Nachlass des Zeichners, Malers und Musikers (1939 bis 2017). Wie bei ihrer Kollegin Miriam Hüning, der Kustodin des Holtappel-Nachlasses, ermöglichte der Landschaftsverband LVR als Finanzier auch ihren Zeitvertrag.

Bei den hunderttausenden Negativen des Revierfotografen hatte wohl auch Herta Holtappel aufgepasst, dass ihr Mann nicht nachlässig wurde. Walter Kurowski und seiner fast bis zum Lebensende hochtourigen Kunstproduktion fehlte dieser Ordnungssinn. „Es war alles durcheinander“, sagt Kerrin Postert schlicht. In Kuros Wohnung im einstigen Postgebäude von Osterfeld sah Christine Vogt neben großen Grafikschränken „Stapel überall“. Natürlich waren alle freien Wände gefüllt mit Bildern in „Petersburger Hängung“ – und auf dem Dachboden fanden sich ganze Restauflagen seiner Plakate. Und Kuro war ein gefragter Plakatkünstler. „Da mussten starke Männer her“, seufzt die Galerie-Chefin.

Der getriezte Lehrling im Hamsterrad: Kerrin Postert entdeckte zum Plakat auch die Vorzeichnung.
Der getriezte Lehrling im Hamsterrad: Kerrin Postert entdeckte zum Plakat auch die Vorzeichnung. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Diese schwer zu bändigende Fülle spiegelt natürlich das Leben eines umtriebigen Stadtkünstlers, der für Friedenspolitik oder Arbeiterrechte keinem Protest aus dem Wege ging, der aber auch jahrzehntelang an der VHS das Aktzeichnen lehrte – und der Woche für Woche das Jazzkarussell kreisen ließ: Am liebsten besetzte er dann sich selbst als Kontrabassisten.

„Viele kennen nur einzelne Aspekte“

Zuverlässig gab’s für jedes Konzert eine neue Karikatur seiner Gäste. Deren Qualität erkannte Kerrin Postert, als sie selbst einen Auftritt des Gitarristen Ali Claudi besuchte: Sie war ihm noch nie begegnet, hat ihn aber sofort „wiedererkannt“ – dank Kuros pointiertem Strich.

Unterschätzt wird der in Kettwig geborene Musiker und Stadtkünstler in seiner Wahlheimat womöglich als politischer Karikaturist. „Viele kennen nur einzelne Aspekte seines sehr breit aufgestellten Werkes“, sagt Christine Vogt. Doch mit seinen gezeichneten Zeitkommentaren sei er, zumal in den 1970ern, vorne gewesen in einer Reihe mit dafür bekannteren Kollegen wie Chlodwig Poth und Ernst Volland. Und selbst im Abstand fast eines halben Jahrhunderts sei deren Qualität nicht verblasst. „Dieser Bestand ist wirklich eine gute Ergänzung unserer Arbeit“, betont die Direktorin. Schließlich sieht sich die Ludwiggalerie bei Comics und Karikaturen selbstbewusst als musealen Vorreiter.

Ein großes Schubfach im Depot gehört den wöchentlich neu gezeichneten Karikaturen für die Jazzkarussell-Konzerte.
Ein großes Schubfach im Depot gehört den wöchentlich neu gezeichneten Karikaturen für die Jazzkarussell-Konzerte. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Für Kerrin Postert als Ausstellungsmacherin ist dann ein 1a-Bildgedächtnis gefragt, um in einer Vorzeichnung das kämpferische Motiv eines Gewerkschafts-Plakats wieder zu erkennen: Der sich im Hamsterrad schindende Lehrling spiegelt auch frühe Kuro-Biografie, erzählt die Kustodin. Der junge Kettwiger hatte eine Lehre als Graveur abgebrochen, weil der Meister ihn vorrangig „zum Bierholen und Kaninchenschlachten“ einsetzte. Immerhin schickte er ihn zu einem Kurs an der Folkwangschule. Und die akzeptierte den erst 16-Jährigen als Studenten.

Symbiotische Beziehung von Stadt und Stadtkünstler

Verglichen mit Regalen voller Bildbände im Holtappel-Nachlass bewahrt das Kuro-Depot im Schloss nur wenige Bücher. „Er hat ein einziges Karikaturenbuch selbst herausgegeben“, weiß Kerrin Postert. Doch auch diese Lücke wird sich mit der großen Ausstellung im Kleinen Schloss schließen: Die Kustodin arbeitet an einem Katalog „mit großem Bildanhang“. Christine Vogt nennt die enge Verbindung des Stadtkünstlers zu Oberhausen „schon sehr symbiotisch“. Ihr wollen Katalog und Schau mit dem markanten „Kuro“-Signet gerecht werden.