Oberhausen. Abonnenten und auf „Peter Pan“ gespannte Schulklassen muss Intendant Florian Fiedler vertrösten. Eine „Weihnachts“-Produktion bis ins Frühjahr.

Der Intendant öffnet eine der Stahltüren zum Bühnenturm: Wo einst Dutzende dicker Seile die Obermaschinerie des Theaters bedienten, sind jetzt nur noch die entsprechenden Ziffern auf schwarzer Wand zu sehen. Die Millioneninvestition in eine zeitgemäße und sichere Bühnentechnik ist weit fortgeschritten. Dennoch muss Florian Fiedler das Schauspiel-Publikum ein weiteres Mal vertrösten: Das Große Haus mit seinen gut 400 Plätzen kann nun erst im Februar 2022 wieder eröffnen.

„Im Umgang mit Katastrophen“, meint der scheidende Intendant, „beweist dieses Theater eine unglaubliche Flexibilität“. Dabei ist’s jetzt eigentlich nichts annähernd so „Katastrophales“ – wie im Sommer die Überflutung des Ahrtals – das die Dispositionen für eine dichte Folge von Premieren und Uraufführungen ein weiteres Mal verwirbelt. Schließlich war (anders als im Sommer) kein wichtiger Lieferant als Totalausfall betroffen. „Es ist einfach ein hundert Jahre altes Haus“, sagt Fiedler, der sich fast täglich mit der technischen Direktorin Sina Rohrlack austauscht.

Große „Nimmerland“-Bilder fürs Große Haus: Eine Probenszene von „Peter Pan“ im Bühnenbild von Maria-Alice Bahra.
Große „Nimmerland“-Bilder fürs Große Haus: Eine Probenszene von „Peter Pan“ im Bühnenbild von Maria-Alice Bahra. © Theater Oberhausen | Katrin Ribbe

Eigentlich sollten die Fachfirmen in diesen Tagen das Theater an die Theatermacher „zurückgeben“. Doch dieser große Tag kommt jetzt erst als schöne Bescherung unmittelbar vor Weihnachten: am 23. Dezember. Dann folgt die Einrichtung der anspruchsvollen Bühnentechnik durch die Fachleute des Theaters. Dann ist jeder einzelne Scheinwerfer zu justieren, sind die Abläufe im elektronischen Regiepult zu speichern. Und ein Großreinemachen dürfte nach den monatelangen Bauarbeiten ebenfalls anstehen.

Der Manga-Klassiker fehlt der Spielzeit

„Wenn man sich in Städten wie Köln umguckt“, meint der hart geprüfte Intendant, „können wir noch froh sein“: Dort muss der gesamte Bühnenbetrieb für zwei Jahre (oder länger) aus- und umziehen. Oberhausen wagt aufwendige Sanierungen in den Spielzeitpausen – die sich jetzt unfreiwillig verlängern. Umso dankbarer zeigt sich Florian Fiedler, dass seine Jubiläumsinszenierung zu 101 Theaterjahren, „Kohlenstaub und Bühnennebel“, in der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums so gut untergekommen ist.

Zudem spielt ja im Saal 2 das junge Theater mit dem sehr modernen Märchen „Mermaids“, mit „Trashedy“, dem Dauerbrenner von Fiedlers Intendanz, und mit „Kleiner Mann – was nun?“, inszeniert von Babett Grube. Die Hausregisseurin allerdings ist von der neuerlichen Verzögerung des Starts im Großen Haus besonders betroffen: „Wir mussten eine Produktion streichen“, erklärt Florian Fiedler. Und das ist die Uraufführung von „Bin ich Shingo?“ nach dem Manga-Klassiker von Kazuo Umezu, im Programmbuch noch angekündigt für den 11. Februar 2022.

Die umfassenden Arbeiten an der Bühne präsentierte das Leitungsteam erstmals im Mai 2020 – vor der Vorstellung einer coronabedingt weithin digitalisierten Spielzeit.
Die umfassenden Arbeiten an der Bühne präsentierte das Leitungsteam erstmals im Mai 2020 – vor der Vorstellung einer coronabedingt weithin digitalisierten Spielzeit. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Stattdessen eröffnet das Große Haus nun am 11. Februar mit Joana Tischkaus „Karneval“: Unmittelbar vor der närrischen Hoch-Zeit widmet sich die 38-jährige Choreographin und Regisseurin der rheinischen Karnevalskultur in einem „unaushaltbar unterhaltsamen Musical“, wie es im Programmbuch heißt. Florian Fiedlers eigene Inszenierung von „Peter Pan“, seit über einem Jahr bis zur Aufführungsreife geprobt und „in Frischhaltefolie“ versiegelt, soll 14 Tage später folgen.

20 Vorstellungen von „Peter Pan“

„Wir werden es bestimmt 20 Mal spielen“, sagt der Intendant und Regisseur. Allerdings erreichten die fürs Theater Oberhausen stets bedeutsamen Produktionen zur Weihnachtszeit sonst gut und gerne 50 Vorstellungen. „Klar gibt’s Schulen, die den Besuch nicht nachholen wollen“, erklärt Fiedler. Das tue ihm für die Klassen leid, die sich nach Lockdowns und etlichen anderen Einschränkungen spannende Stunden im Theater verdient hätten.

Aus dem Großen Haus: der Theaterfilm zur Pandemie

Die im Programm für Sonntag angekündigte Matinee „Morgenschwärmer“ mit dem Ausblick auf die kommenden Premieren verschiebt das Theater nun auf Sonntag, 30. Januar 2022.Als „digitale Wiederaufnahme“ bietet das Theater im Stream heute ab 19.30 Uhr, abrufbar bis Samstag, 18. Dezember, wieder „Innen. Nacht“, Bert Zanders Theaterfilm zur Pandemie. Das digitale Drama entstand im März während des zweiten Lockdowns. Bert Zander, der mit „Die Pest“ ein neues Theater-Film-Format entwickelt hatte, lässt das Ensemble auf der leeren Bühne mittels Projektionen auftreten. Diese „Geister“ erzählen aus ihrem Leben und lassen Texte von Roger Willemsen bis Lahya Aukongo lebendig werden.Tickets für wahlweise 5, 15 oder 25 Euro gibt’s unter unter 0208 - 85 78 184, online theater-oberhausen.de.

Drei weitere Premieren im Großen Haus – und sogar vier weitere im Saal 2 – sorgen in der verbleibenden Spielzeit 2021/‘22 für eine dichte Folge von Theaterereignissen. Die so nahe liegende wie naive Frage, ob sich die Saison nicht verlängern ließe, kann der Intendant nur verneinen: „Wir haben wirklich alles überlegt. Aber in den Sommerferien kommt keiner.“ Im Herbst wird Kathrin Mädler als Intendantin das Haus übernehmen. Dann tritt das bisherige künstlerische Team bereits neue Engagements an. Florian Fiedler: „Es tut weh, jetzt noch einen Monat zu verlieren.“