Oberhausen. . Die Premiere im Großen Haus des Theaters erntet laute Bravos. Florian Fiedlers Inszenierung funkelt mit Humor, Spielwitz und großer Ausstattung.

Die vielen „Bravo“-Rufe von kieksigen Stimmen waren hochverdient. Johanna Spyris „Heidi“ im Großen Haus des Theaters sollte ihr kleines und größeres Publikum in sämtlichen 60 Vorstellungen begeistern können. Intendant Florian Fiedler inszenierte fürs Herz, aber nicht verkitscht.

Und humorvolle Pointen gab’s in Fülle: solche für die Zuschauer ab sechs Jahren – und solche, an denen die Eltern ihren Spaß haben. Zudem ist Ayana Goldstein eine Heidi, die sich jedem mit großem Stauneblick zuwendet und – mit Ausnahme der gefürchteten Fräulein Rottenmeier – jedes verhärmte Herz wieder freudig schlagen lässt.

Gefühlvoll, aber ohne zuviel Zuckerguss: Am stimmigen Charakter dieser Familienproduktion (nicht nur) zur Weihnachtszeit hat auch die Bühne von Maria-Alice Bahra großen Anteil: Sie nutzt gewitzt das Rund der Drehbühne, die zu je einem Drittel den Berg und die Hütte des Alm-Öhi trägt sowie den bizarr unterkühlten Schick der Frankfurter Wohnung. Zumal in den Alpenkulissen lässt sich trefflich klettern, kraxeln und toben.

Vom Schnee zur Designer-Eiswüste

Für traumhafte Projektionen aus der Bergwelt sorgte Bert Zander mit seinen Videos: Szene mit Emilia Reichenbach
Für traumhafte Projektionen aus der Bergwelt sorgte Bert Zander mit seinen Videos: Szene mit Emilia Reichenbach © Birgit Hupfeld

Doch die Härten des vermeintlichen Idylls klingen an, noch ehe sich der Bühnenvorhang geöffnet hat: „Im Dorf sagen sie, er hätte jemanden umgebracht.“ Zu diesem Großvater zieht das unerschrockene Waisenkind mit Blümchen in der Hand – und muss die erste Nacht draußen vor dem Holzhaus verbringen. Mit Rauschebart gibt Torsten Bauer einen angemessen grimmigen und wortkargen Alten. Aber auch er kann sich vor jenem Kind nicht lange verschließen, das Florian Fiedler „eine Anarchistin der Liebe“ nennt.

„Nimm sie und verdirb sie“, donnert der Öhi gegen Tante Dete, als Heidi schließlich nach Frankfurt umziehen soll, als Freundin für die gelähmte Klara. Dort verwandelt sich Christian Bayer vom Geißenpeter in den vergeblich um äußerste Korrektheit bemühten Diener Sebastian – später sogar in die ebenso elegante wie herzenskluge Großmama Sesemann. Dort wird aus alpinem Schneegestöber und Sternenfunkeln eine Designer-Eiswüste. Heidi kullert als erstes durch das grandios verquere, postmoderne Sofa – und kann damit bei „Frau Brockeneimer“ überhaupt nicht landen.

Bei dieser „Heidi“-Inszenierung spielen die beiden Musiker die Geißen: Jan Klare lässt sein Saxophon tüchtig meckern.
Bei dieser „Heidi“-Inszenierung spielen die beiden Musiker die Geißen: Jan Klare lässt sein Saxophon tüchtig meckern. © Birgit Hupfeld

Mit Turmfrisur und Petticoat gibt Anna Polke die zickige Gouvernante mit sichtlichem Spaß an der Karikatur – wird allerdings noch getoppt von Torsten Bauer als ängstlichem Hauslehrer, der sich vor der unverbildeten Heidi schlotternd an die Wand drückt. Ob Pädagogen das komisch finden?

In ihrem Sinn für Freude und Freundschaft ist Emilia Reichenbach als Klara wie ein Spiegelbild Heidis. Die Mädchen toben, bis Klara aus dem Rollstuhl fällt und entzückt „nochmal“ ruft. Doch die nächtlichen Traumbilder zeigen auf der weißen Wand wieder die Hütte in den Alpen. Das Bild des Öhi verlischt, als Heidi ihn berühren will.

Unterm Heuboden vereint

„Ich bin auch krank und ich bin auch alleine“, schreit Klara, als ihre vom Heimweh verzehrte Freundin die kalte Pracht verlassen darf. Natürlich sind sie im Schlussbild wieder unterm Heuboden vereint, kuscheln und kichern – und strahlen den „Bravo“-Rufern entgegen.

Zwei Besetzungen für die vielen „Heidi“-Termine

60 Vorstellungen sind für „Heidi“ angesetzt. Karten kosten 5,50 und 8 Euro, 0208 - 8578 184, E-Mail an besucherbuero@ theater-oberhausen.de.

Außer der Titelheldin sind alle Akteure in zwei oder drei Rollen zu erleben: Diese fliegenden Wechsel sind eine Schau für sich. Zudem gibt es zwei Besetzungen. So spielt auch Sophie Krauß als Gast aus Hannover die Heidi und Wolf List den Alm-Öhi. Burak Hoffmann ist als Geißenpeter zu erleben und Lise Wolle als Fräulein Rottenmeier. Und außer von Ronja Oppelt wird die Klara gelegentlich auch von Ayana Goldstein gespielt – statt der Heidi.