Oberhausen. In „Mermaids“ fürs Publikum ab vier spielen Yan Balistoy und Agnes Lampkin groß auf und raten allen Verspotteten: „Da musst du drüber schwimmen!“

Das junge Premierenpublikum darf sich im Saal 2 des Theaters in tiefrote Schwimmreifen plumpsen lassen, es hört gespannt ein geheimnisvolles Glucksen und Rauschen. Doch die Bühne zeigt kein tiefes Blau oder Türkis, sondern eine zackige Wellenlandschaft ganz in Rosa. Daraus hervor taucht ein junger Typ (Yan Balistoy), um die Hüfte ein Tutu und auf den Schultern eine martialische Footballspieler-Montur. So beginnt „Mermaids“, das im Programmblatt fast zaghaft „Stückentwicklung“ heißt.

Dabei ist’s der von Shari Asha Crosson traumschön inszenierte Auftakt des Kindertheaters nach zwei an den Lockdown verlorenen Spielzeiten. Auch „Mermaids“ war schon vor gut einem Jahr premierenreif. Jetzt spielen Yan Balistoy als Kajaani und Agnes Lampkin als Meereskönigin Mama Wata so rasant und mitreißend, als wollten sie die verlorene Zeit wieder aufholen. Und die Vorschulkinder sind über die Spielzeit von 50 Minuten voll dabei, helfen Kajaani auf die Sprünge – und würden wohl mittanzen, wenn sie nicht in Schwimmreifen säßen.

Der Traum des jungen Tänzers: Dank des Flossen-Geschenks von Mama Wata kann Kajaani als Glitzerfisch abtauchen.
Der Traum des jungen Tänzers: Dank des Flossen-Geschenks von Mama Wata kann Kajaani als Glitzerfisch abtauchen. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

Denn der junge Traumtänzer im pinken T-Shirt hat einige verzaubernde Gaben: Den Football lässt er als Fisch schweben, durch das Meer aus vielen Metern schimmernden Stoffs taucht er mal graziös, mal trotzig. Dazu setzt Kate Bush mit „Eat the Music“, ihrem wohl einzigen karibisch klingenden Song, den tropischen Ton.

Mit fast artistischem Slapstick

Für die Kinder aber kam der sensationelle Moment, als mit einem Ballwurf die wogende Stoffkulisse in sich zusammenfällt – und ein Kinderzimmer ganz in Meerblau enthüllt. Kajaani stürzt sich mit fast artistischem Slapstick aufs Bett und durchwühlt schmollend sein Bücherregal: „Laaangweilig“ – das galt für fast alle Abenteuergeschichten.

Doch dann liest er – beschwörend – aus dem „Reich der Meermenschen“ von dessen Königin Mama Wata, „die Beschützerin aller Kinder“. Die sehen sie auch zuerst hervorschreiten: mit ihrer Krone wie eine Rückenflosse, mit silbernen Augenbrauen, einem grünen Kleid mit langer Schleppe, die starken Arme weit ausgebreitet. Diese Königin ist so selbstbewusst wie kapriziös – und Kajaani braucht erstmal Hilfe, als sie, schnell beleidigt, wieder verschwindet: „Das Buch noch mal lesen!“, ruft das hellwache Publikum.

Auch Henry Morales spielt den „Mermaids“-Helden

Den jungen Kajaani spielt auch Henry Morales im Wechsel mit Yan Balistoy, denn der 27-jährige philippinisch-israelisch-schweizerische Schauspieler zählte nur in der vorigen Spielzeit fest zum Oberhausener Ensemble.

Weitere Aufführungen von „Mermaids“ folgen am Sonntag, 21. November, um 16 Uhr, sowie als Schulvorstellungen am 13., 14. und 15. Dezember. Karten zu 8 Euro, ermäßigt 5 Euro, gibt’s unter 0208 - 8578 184, per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de

Kajaani würde auch gerne „so schön gehen“, meint aber kläglich: „Dann gucken mich alle so doof an.“ Die Kinder protestieren – und die Königin weiß: „Da musst du einfach drüber schwimmen.“ So tauchen sie ab in eine mit Zeitlupenbewegungen choreographierte Unterwasserwelt und kämpfen Seite an Seite gegen den „Weißen Hai“ – so legt’s jedenfalls die schaurige Musik nahe.

Unter der zackigen Wellenlandschaft mit schwebenden Football-Fischen verbirgt sich das meerblaue Zimmer von Kajaani.
Unter der zackigen Wellenlandschaft mit schwebenden Football-Fischen verbirgt sich das meerblaue Zimmer von Kajaani. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

Das „schöne Gehen“ lernt Kajaani so flott, dass sich sein Kinderzimmer in einen Catwalk verwandelt samt Bühnennebel und schrillem Kostümzauber: Die Football-Kämpfermontur lässt sich auch wie ein Reifrock auf der Hüfte tragen – oder als exotischer Kopfputz. Sogar die Matratze aus dem Bett wird zum ausladenden Kostüm. Doch das prächtigste Gewand hinterlässt Mama Wata als Geschenk: Es macht Kajaani zum rot funkelnden Meermenschen.

Gemeinsam ist Abtauchen viel schöner

Dafür gab’s tosenden Applaus und das blendend aufgelegte Duo auf der Bühne nahm dankend die junge Regisseurin in die Mitte. Gemeinsam ist Abtauchen eben viel schöner.