Oberhausen. Als dritte neue Ausstellung zeigt die Ludwiggalerie ideenreiche Kunst „Made in OB“. Aus vielen Werken sprüht Freude über das Ende der Isolation.

Nein, „Wow“ als knalliger Ausstellungstitel sollte nicht missverstanden werden: Im Kleinen Schloss präsentiert sich kein Gegenstück zur großen Comic-Ausstellung „Unveröffentlicht“ von der anderen Seite des Schlosshofes. Die „neunte Kunst“ der Panels und Sprechblasen ist wohl das einzige Metier, in dem sich niemand unter den 22 Künstlerinnen und 22 Künstlern aus der Oberhausener Szene versucht hat.

„Im Gefängnis des Selbst“: So beschreibt Kuratorin Nina Dunkmann die Arbeit „Mindjail“ von Angela Schäfer.
„Im Gefängnis des Selbst“: So beschreibt Kuratorin Nina Dunkmann die Arbeit „Mindjail“ von Angela Schäfer. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dennoch: „Wow“ als vollmundiger Ausruf des Erstaunens trifft’s genau für diese stilsicher ausgewählte und pointiert platzierte Leistungsschau des Arbeitskreises Oberhausener Künstler (kurz AOK). Und das nach einer überlangen Zeit der Bangigkeit. „Wir fühlten immer ein Damoklesschwert über uns“, sagte Wolfgang Kleinöder inmitten zahlreicher der 44 Kreativen. Schließlich fiel die Ausschreibungsphase mitten in den Lockdown der ersten Jahreshälfte. So setzte man sich – abgesehen vom umfassenden Slogan „Made in OB“ – auch kein Thema, sondern ließ die so lange gebremste Kreativität sprudeln.

Das gelingt ganz offensichtlich selbst mit schwarzer Tusche auf Papier, denn Agnieszka Smudas freie Zeichnungen auf den Blättern „Frühling 21“ und „Zum Leben erwachen“ sprühen vor Elan und Aufbruch. Es gibt natürlich die Pandemie als Thema – Marion Simmberg füllt eine ganze Vitrine wie ein Schatzkästlein mit ihren Objekt-Kommentaren zum Krisenjahr – doch sie verengt nicht die Vielfalt dieser Ausstellung. So meinte denn auch Kulturdezernent Apostolos Tsalastras, schon fast lyrisch gestimmt, „am Ende des Weges“ sehe man in dieser Ausstellung „ein Vielfaches mehr, als jeder einzeln auf den Weg bringen könnte“.

Der weltberühmte Krake in Denkerpose

Inspirierte Nachbarschaften: Die Gipsbüste „Prophet
Inspirierte Nachbarschaften: Die Gipsbüste „Prophet" von Helga Hütten neben Helmut Junges „Weißer Taube über Stacheldraht“. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Tatsächlich gibt es, dank der inspirierten Hängung von Kuratorin Nina Dunkmann, etliche verblüffende oder amüsante Korrespondenzen. Etwa bei den gekonnten Bildnissen nach der Natur: Als „Hornet“ zeichnete Cornelia Schweinoch-Kröning fast fotorealistisch und in vielfacher Lebensgröße den dramatischen Absturz einer Wespe. Marayle Küpper dagegen lässt den Realismus gewitzt kippen: Denn ihre aus Speckstein geschnitzte Krake Paul (einst eine Oberhausener TV-Berühmtheit) nimmt die Pose von Rodins „Denker“ ein (was Oktopussen durchaus zuzutrauen wäre).

Manga-Maniacs dagegen dürften bewundernd vor den neun quadratischen Papier-Collagen von „Kelbassas Panoptikum“ verharren: Hier sprühen die Farben und Formen und setzen, nahe am Entree zur Panoramagalerie, den hochgestimmten Ton dieser „Wow!“-Schau. Es ist eine Freude, den Verweisen zu japanischer Kunst von klassisch bis Pop-Art nachzuspüren.

Memento für die aussterbenden Wörter

Als sein eigener Videostar jongliert Jan Arlt lässig mit der geballten Pixelpower seines PC.
Als sein eigener Videostar jongliert Jan Arlt lässig mit der geballten Pixelpower seines PC. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dagegen scheint Wolfgang Kleinöders Fotografie einer Urnenwand die symmetrische Strenge der Becher-Schule zu verströmen – bis man die Schrift auf den dunklen Tafeln liest: ein A bis Z jener „Wörter, die uns fehlen werden“. Es wirkt auch als gar nicht todesschwerer Appell: Sagt oder schreibt doch mal wieder „Knicks“ oder „Kaufhalle“, „Schlüpfer“ oder „Scharmützel“. Ungleich ernsthafter arrangierte Michael Houx seine dokumentarischen Fotos vom Zwangsarbeiterlager Jacobi in Osterfeld zu einem mannshohen Kreuz. Zwischen diesen so konträren Werken darf ein strahlendes Himmelsgemälde von Burkhard Recnik versöhnlich stimmen.

Im sacht abgedunkelten Kabinett auf der anderen Seite des Museumsshops gehört die größte Wand der immer ausgefeilter auftrumpfenden Pixelpower von Jan Arlts PC-Videos. Im vierminütigen „Untitled 2 – Trailer“ agiert der Künstler nun selbst in seinen allerliebsten algorithmischen Kulissen.

Mit jedem Euro etwas Wasser aufs Moos

Diese Ausstellung bei freiem Eintritt hat so hohen Unterhaltungswert – da darf man für die Keramik von Nicole Schillings ruhig mal einen Euro springen lassen: Sie stellte eine altmeisterliche Büste von Chronos in einen Münzautomaten. Wer diesen „Banditen“ füttert, der begießt mit einem Wasserstrahl das rund um den Gott der Zeit sprießende Moos. Großes „Aah!“ unter der staunenden AOK-Künstlerschaft. Der Automaten-Erlös fließt übrigens passenderweise an die Badeanstalt, sprich: ans Ebertbad.

Reiches Begleitprogramm zur „Wow!“-Ausstellung

Bei freiem Eintritt ist die Ausstellung „Wow! Made in OB“ des Arbeitskreises Oberhausener Künstler vom 10. Oktober bis 9. Januar 2022 im Kleinen Schloss (links und rechts vom Museumsshop) zu sehen.Zur Eröffnung am Sonntag um 14 Uhr gibt’s neben einführenden Worten der Kuratorin Nina Dunkmann auch Musik von einer der 22 bildenden Künstlerinnen: Denn Nicole Schillings unterrichtet klassisches Saxophon an der Musik- und Kunstschule Wesel – und musiziert im Schloss an der Seite von Pianist Nico Roelvink.Konzerte, Performances und Künstler-Talks begleiten die Ausstellungswochen an jedem zweiten Wochenende: Online informiert ludwiggalerie.de