Oberhausen. Regelmäßig treffen sich Freunde in einem kleinen Café in Oberhausen. Ihre Garderobe stammt aus der Zeit von 1830 bis 1920 - darum geht es.

Wenn Ute Overmann nach Oberhausen fährt, dann wird sie zu Lorena von Stern. Die 55-Jährige hat sich auf Zeitreisen spezialisiert. Und dafür greift sie ganz tief in ihren zweiten Kleiderschrank. Dieser ist fast genauso groß wie der Aufbewahrungsort für ihre Alltagsklamotten.

Seit sie 19 Jahre alt ist hat es ihr eine bestimmte Zeitepoche angetan. Mit einer Gruppe von Freunden wechselt sie aus der hektischen Welt der Gegenwart in ein zurückliegendes Jahrhundert. Ute Overmann trägt die opulente Garderobe aus der Zeit zwischen 1830 bis 1920 auf. Schmückende Sonnenschirme, die mit der Hand aufgezogen werden, inklusive.

Historische Genauigkeit ist bei Gewändern keine Pflicht

Ein Verein wollen sie nicht sein. Aber über die Zeit ist der Zusammenschluss von Liebhabern der viktorianischen Garderobe immer größer geworden. „Wir haben uns bei Festivals getroffen. Oder wir sind über die sozialen Netzwerke im Internet ins Gespräch gekommen.“ Overmann stammt gebürtig aus Köln, lebt mittlerweile in Moers.

Ihre Freunde wohnen quer verstreut im Bundesland. Doch vier mal im Jahr sind sie Oberhausener. Genauer gesagt Vonderner. Die kleine, schmucke Gastronomie „Gelis Café“ an der Arminstraße hat es der Gruppe angetan. Hier treffen sie sich sonntags zum gemeinsamen Frühstück. In voller Montur versteht sich. Mit ausladenden Hüten auf dem Kopf.

Berührungsängste mit anderen Gästen haben sie nicht. Karneval wittern manche Laien, wenn man sie vor dem mit Holz ummantelten Spiegel posieren sieht. „Oftmals sind die Menschen neugierig und wollen wissen, wo die Kleider herstammen."

Bissiges Vampirfest wies den Weg ins Vonderner Café

Das schmucke Äußere, verziert, gebunden und bestickt, ist ein Hingucker. Und bei vielen Teilnehmern geht eine erfolgreiche Jagd nach alten Klamotten und großes Geschick an der Nähmaschine voraus. Selbst gemacht oder eingekauft - beides zählt.

Historische Genauigkeit ist für Ute Overmann aber keine Pflicht. Viele Accessoires werden individuell zu einem Gesamtkunstwerk zusammengestellt. Ein bisschen Geduld benötigt man vor dem Spiegel. Am eigenen Outfit wird gebastelt - mal mit, mal ohne Schablone. Und wie bei jedem Hobby sollte man den ein oder anderen Euro übrig haben. Verzichten, so sagt sie, müsse sie aber deshalb auf nichts.

Ihre Ausflüge nennt die Gruppe Zeitreise. Oftmals lockt sie der Charme der Umgebung. Vor vier Jahren veranstalteten sie ein Vampirfest an der benachbarten Burg Vondern. Also recherchierte Ute Overmann alias Lorena von Stern nach einem Café in der Umgebung - und stieß auf „Gelis Café“.

Begeisterung begann mit Gothic- und New-Wave-Bewegung

Das von Angelika Wenzel-Wohlsdorf liebevoll mit alten Möbelstücken, Bilderrahmen und Schmuckstücken im Jugendstil eingerichtete Lokal passt nahezu perfekt zu den historischen Gewändern. „Das alte Besteck, das passende Geschirr und die freundliche Bewirtung haben uns gleich gefallen.“ Overmann muss es wissen. Sie hat den Beruf der Hotelfachfrau gelernt und arbeitet heute als Bilanzbuchhalterin.

Die Begeisterung geht auf die Gothic- und New-Wave-Bewegung zurück. „Ich bin ein Kind der 80er-Jahre“, sagt die Sammlerin über die Anfänge. Mit dem zuletzt immer populärer gewordenen Steampunk habe ihre Zeitreise aber nichts zu tun.

Das Schaffen von Jules Verne sei zwar spannend und interessant. Aber bei der Kleidung unterscheiden viele Feinheiten die Szene. Beim Steampunk seien zum Beispiel die Kleider häufig knapper geschnitten, die Corsagen enger geschnürt.

>>> Gelis Café - von Kaffee und Kuchen zum Frühstücks-Lokal

Vor drei Jahren eröffnete Angelika Wenzel-Wohlsdorf an der Arminstraße 1 „Gelis Café“. Dafür baute die Familie um ihren Mann Ulrich Wohlsdorf das ehemalige Wohnhaus in Eigenregie zu einem Kaffeehaus um. Heute ist das Lokal ein echter Geheimtipp unter den Cafés in Oberhausen.

Ursprünglich wollte die Besitzerin nur für Kaffee und Kuchen an den Nachmittagen öffnen. Doch das Frühstück wurde immer beliebter. Heute öffnet sie von Mittwoch bis Freitag zwischen 9.30 und 13 Uhr. Samstags und sonntags ist das Lokal von 9.30 bis 18 Uhr geöffnet. 35 Personen passen in die Innenräume, 30 in den kleinen Biergarten.