Oberhausen. Auch die Linken, Violetten, AfD und „Offen für Bürger“ stellen OB-Kandidaten auf. Ihre Ideen reichen von Grundeinkommen bis kostenlosem ÖPNV.
Dass sich der Kampf um den Oberbürgermeisterposten zwischen Daniel Schranz (CDU), Thorsten Berg (SPD) und Norbert Axt (Die Grünen) entscheiden wird, gilt als sicher. Aber in Oberhausen treten noch vier weitere OB-Anwärter an. Was wollen sie in Oberhausen verändern? Und was hat sie zur Kandidatur motiviert? Ein Überblick.
Die Linke: Jens Carstensen
Jens Carstensen war 14 Jahre als nicht freigestellter Betriebsrat in der chemischen Industrie tätig. „Da habe ich miterlebt, wie die Heuschrecken einen Konzern auseinandernehmen und ein gesundes Unternehmen an den Rand der Insolvenz treiben können“, sagt der 62-Jährige. Durch diese Erfahrungen sei er 2011 nach 27 Jahren in seinen erlernten Beruf als Sozialarbeiter zurückgekehrt – und 2007 zum Gründungsmitglied der Linkspartei geworden.
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Gefärbt von schlechten Erfahrungen aus der Privatwirtschaft will Carstensen vor allem, dass die Kommune wieder mehr Aufgaben selbst in die Hand nimmt: Städtische Kitas statt unternehmerisch ausgerichtete Träger, Rekommunalisierung von Müllverbrennung und Energieversorgung und eine neue städtische Wohnungsbaugesellschaft, um sein wichtigstes Thema, die Schaffung von preisgünstigstem Wohnraum, anzugehen.
Eine gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft zu schaffen sei durch eine andere Prioritätensetzung bei der Haushaltsplanung noch umsetzbar. Um weitere Veränderungen anzustoßen, sei es aber nötig, die Kommunen endlich finanziell zu entlasten – wofür sich Carstensen einsetzten will. „Die Kommune hat gar keine Selbstverwaltung mehr, weil sie finanziell nicht gut ausgestattet ist“, sagt der zweifache Vater. „Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Oberhausen ist kaum noch in der Lage, einen Kinderspielplatz aus eigenen Mittel zu bauen.“
Die AfD: Wolfgang Kempkes
Erst kurz vor seiner OB-Kandidatur hatte Wolfgang Kempkes „eine Pause“ bei der AfD eingelegt. Dabei sei es nicht die politische Ausrichtung der Partei, sondern um das „Auftreten im öffentlichen Raum“ gegangen, erklärt der 54-jährige Gastronomiebetriebswirt. Gegenstand der Differenzen war auch die gelöschte und inzwischen neu aufgesetzte Facebook-Seite des hiesigen Kreisverbandes, auf der menschenverachtende Kommentare verbreitet worden sind. Kempkes selbst hält nach eigener Aussage nichts von „marktschreierischer Schaum-vor-dem-Mund-Rhetorik“ und will in Oberhausen künftig „als konstruktive Opposition“ wahrgenommen werden.
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Kempkes war nach eigener Aussage früher stark in der Barkeeper-Szene aktiv und hat auf Cocktail-Meisterschaften mit „Afrikanern, Asiaten und Amerikanern“ zusammengearbeitet. „Ich bin sehr neugierig auf Menschen“, sagt er. Auf die Frage, wie das mit den rechtsextremen Tendenzen seiner Partei zusammenpasse, antwortet er: „Wir arbeiten jetzt noch an Altlasten.“ Vor der AfD habe es ein Vakuum in der Parteienlandschaft gegeben, man sei „Projektionsfläche für viele Vorstellungen gewesen“. So seien Menschen in die Partei gedrungen, die sich mit dem Stuttgarter Grundsatzprogramm nicht identifizierten.
Kempkes sieht das Programm nach eigener Aussage als Leitfaden. Als jemand, der 2015 über das wirtschaftsliberale Programm von Parteimitgründer Bernd Lucke zur AfD gestoßen sei, will Kempkes sich in Oberhausen vor allem für mehr Ansiedlung von Unternehmen einsetzen. Entscheidungsfindungen der Stadt sollen transparenter gemacht werden. „Es muss klarer werden, was die Stadt eigentlich macht.“ Kempkes lobt hier die Kommunikationspolitik während der Corona-Krise. „Daran sollte man anknüpfen.“
Die Violetten: Claudia Wädlich
Seit ihrer letzten Kandidatur als Oberbürgermeisterin vor fünf Jahren hat sich bei Claudia (62) einiges verändert: 2015 wurde die Lyrikerin, Buchautorin, gelernte Juristin und Hobby-Ägyptologin zur internationalen Politikberaterin und wirbt nach eigener Aussage regelmäßig bei der UN für eine friedliche Lösung im Belutschistan-Konflikt. Kurzer Exkurs: Die pakistanische Provinz ist seit der Unabhängigkeit Pakistans 1947 eine Konfliktzone – Bestrebungen nach mehr Autonomie seitens der Belutschen werden mit Härte der Regierung begegnet. Weil die Bevölkerungsgruppe auch in Afghanistan und im Iran heimisch ist, stoßen im Konflikt viele Interessen aufeinander. „Um diese Knoten aufzulösen, braucht es komplexe Anstrengungen“, sagt Wädlich. „Entsprechend werde ich für Lösungen eintreten können, wenn Extreme im Oberhausener Stadtrat aufeinanderprallen.“
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Aber passt das zusammen – knallharte Kompromissfindung in Krisengebieten und eine Partei wie „Die Violetten“, die mit „spiritueller Politik“ wirbt? „Diese Bezeichnung ist etwas irreführend“, gibt Wädlich zu. „Damit ist gemeint, dass unsere Politik geistreich ist. Ich bin Realistin.“ Herzensprojekt für Wädlich und ihre Partei ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE), das sie in Oberhausen als Pilotprojekt an den Start bringen will. Wädlich ist überzeugt, dass das BGE nicht nur Bedürftigen und Geringverdienern eine bessere Perspektive geben würde, sondern die Stadt damit auch Sozialkosten einsparen könnte. „Die Bürokratiekosten durch Hartz-IV sind enorm.“
Offen für Bürger: Urban Mülhausen
Der Oberbürgermeisterkandidat der Wählergemeinschaft „Offen für Bürger“ (OfB) - mit ganzem Namen Urban Laurentius Maria Mülhausen - war nach eigener Aussage „mit 28 Jahren einst der jüngste Arzt in NRW“. Vielen Oberhausenern dürfte er noch aus seiner Praxis in Alt-Oberhausen bekannt sein, inzwischen ist Mülhausen im Ruhestand und will sich verstärkt der politischen Arbeit widmen - in einer Wählergemeinschaft, die sich erst 2018 nach Zersplitterung des „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB) gebildet hatte. Dass es künftig nicht mehr zu internen Querelen bei OfB kommen wird, „kann niemand versichern“, gibt Mülhausen zu. „Wir haben alle ein natürliches Ego.“ Aktuell bilde man jedoch eine „gute homogene und ausgeglichene Gruppe, die sich untereinander gut versteht.“
Motiviert zur Kandidatur wurde der 61-jährige Witwer durch den Streit um höhere Parkgebühren in der Stadt. Der Rat stimmte im November 2019 für eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung- zum Ärger zahlreicher Bürger. Dass „selbst 23.000 Unterschriften nicht zum Umdenken in Alt-Oberhausen reichten“, löste in ihm „das Interesse zur Mitwirkung aus“, sagt Mülhausen. Darüber hinaus Kernforderungen des fünffachen Vaters: ein kostenfreier ÖPNV mit kleineren Bussen und kürzeren Taktungen oder die Ansiedlung alternativer Industrien, gefördert durch die Senkung des Steuer-Hebesatzes. „Ich möchte die Innenstadtbereiche aufwerten, um den Einzelhandel vor Ort zu stärken“, sagt er. „Dazu gehört die Einforderung von Sauberkeit und Ordnung genauso wie die Entwicklung von echter Aufenthaltsqualität.“
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