Oberhausen. Das wird ein harter Konkurrenzkampf für die etablierten Parteien: Mehrere Wählergemeinschaften und die AfD ringen in Oberhausen um Protestwähler.

Beim letzten Urnengang für den Oberhausener Stadtrat vor gut fünf Jahren war die Freude über den politischen Durchmarsch am Wahlsonntag, 25. Mai 2014, zumindest bei den Betroffenen noch sehr, sehr groß: Das erst wenige Monate zuvor gegründete „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB) erzielte auf Anhieb 8,6 Prozent der Stimmen, errang so fünf Mandate im Rat – und wurde mit 6056 Wählerstimmen fast drittstärkste Partei in der Stadt. Die Grünen lagen am Ende mit nur 15 Stimmen mehr vor BOB. Die BOB-Mitstreiter lagen sich am Wahlsonntag in den Armen.

Persönliche Angriffe beim Bürgerbündnis BOB

Doch dann versank die so erfolgreiche Wählergemeinschaft in Streit und Hader um Geld und Inhalte, zersplitterte nach öffentlichen persönlichen Angriffen in drei Gruppen: In „BOB im Rat“ (heute zwei Ratsmitglieder Karl-Heinz Mellis und Peter Bruckhoff), in die „Bürgerliste“ (heute ein Ratsmitglied Andrea-Cora Walther) und in „Offen für Bürger“ (OfB) (heute zwei Ratsmitglieder Albert Karschti und Werner Nowak). Die fünf Ratsmitglieder wurden damit die teuersten Ratspolitiker der Stadtgeschichte: Fraktionen (ab drei Politikern) erhalten für Sach- und Personalkosten etwa 150.000 Euro im Jahr, um ihre Arbeit bewältigen zu können, Gruppen (zwei Politiker) etwa 100.000 Euro, Einzelkämpfer nur Sach- und Geschäftsausstattung. Insgesamt kostete die Spaltung in drei Teilen die Steuerzahler also viel Geld – wie übrigens private Scheidungen von ärmeren Eheleuten auch.

Wollen wieder in den Rat: Peter Bruckhoff und Karl-Heinz Mellis vom Bürgerbündnis BOB (vorne von links). Hinten sitzt Werner Nowak, seit 1. Oktober 2018 bei der neu gegründeten Gruppe „Offen für Bürger“ (OfB).
Wollen wieder in den Rat: Peter Bruckhoff und Karl-Heinz Mellis vom Bürgerbündnis BOB (vorne von links). Hinten sitzt Werner Nowak, seit 1. Oktober 2018 bei der neu gegründeten Gruppe „Offen für Bürger“ (OfB). © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Nun gefällt diesen durch das Bürgerbündnis in den Rat gespülten Freizeitpolitikern die Aufgabe im Rat recht gut – trotz einer überschaubaren persönlichen Mandatsbezahlung von 400 Euro im Monat und 20 Euro Sitzungsgeld pro Termin bei gleichzeitig üppiger Arbeit durch 70 bis 80 Tagesordnungspunkte je Ratssitzung. So haben bereits Bürgerbündnis BOB und „Offen für Bürger“ (OfB) angekündigt, bei der nächsten Kommunalwahl am Sonntag, 13. September 2020, erneut um Stimmen kämpfen zu wollen.

Personalentscheidungen fallen noch

„Wer bei uns persönlich antreten darf, ist noch nicht klar, das wird demokratisch entschieden. Ich würde aber gerne weitermachen“, sagt BOB-Gruppengeschäftsführer und -Ratsherr Peter Bruckhoff. Er verspricht zusammen mit BOB-Ratsherr Karl-Heinz Mellis: „Wir haben aus vergangenen Fehlern gelernt und wollen mit unserer bürgernahen, unabhängigen, sachbezogenen Kommunalpolitik die Bürgerinnen und Bürger überzeugen.“ Man wolle „absolut ideologiefrei das Beste für die Stadt anstreben“.

Einen Vorteil hat das Bürgerbündnis BOB: Da es von Anfang an im Rat dabei ist, benötigt es keine Unterstützungsunterschriften mehr – die neu antretenden „Offen für Bürger“ und Bürgerliste müssten dies für sich noch erledigen. Damit keine Stimmen verloren gehen, müssen alle drei Wählergemeinschaften allerdings auch noch 29 Kandidaten für den Rat in jedem der 29 Wahlkreise im Stadtgebiet finden.

Agierte drei Jahre lang zusammen mit Andrea-Cora Walther (links) in der neu gegründeten Bürgerliste, eine Abspaltung von BOB: Albert Karschti. Der Ratsherr gründete eine neue Gruppe „Offen für Bürger“ zusammen mit Werner Nowak.
Agierte drei Jahre lang zusammen mit Andrea-Cora Walther (links) in der neu gegründeten Bürgerliste, eine Abspaltung von BOB: Albert Karschti. Der Ratsherr gründete eine neue Gruppe „Offen für Bürger“ zusammen mit Werner Nowak. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Wir spüren den Zuspruch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern, die bei uns Unterstützung suchen und an der Politik teilhaben wollen“, begründet Albert Karschti, umtriebiger Akteur von „Offen für Bürger“ (OfB) die Entscheidung der neuen Wählergemeinschaft OfB, zur Kommunalwahl antreten zu wollen. Karschti selbst war schon in vielen Parteien und Gemeinschaften zu Hause: Bei den Grünen, bei den Piraten, bei BOB, bei der Bürgerliste und nun bei „Offen für Bürger“.

Bürgerliste noch unentschieden

Ob die Bürgerliste zur Kommunalwahl antreten wird, ist nach Angaben ihrer einzigen noch vorhandenen Ratsfrau noch nicht endgültig entschieden. Steuerberaterin Andrea-Cora Walther wirkt am Telefon ein wenig ernüchtert nach mehr als fünfjähriger Ratsarbeit: „Ich muss schauen, wo ich mehr bewirken kann – als Teil des Systems im Rat oder mit Aktionen auf der Straße.“

SPD stärkste politische Kraft im Rat

Der Rat der Stadt Oberhausen hat derzeit 60 Sitze. Stärkste politische Kraft mit 39,01 Prozent wurde bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 erneut die SPD – trotz heftiger Verluste von fünf Prozent (23 Sitze). Die CDU erzielte 32,86 Prozent der Stimmen (plus 2,91 Prozent) (20 Sitze).

Die Grünen büßten 1,78 Prozentpunkte ein und bekamen mit 8,60 Prozent der Stimmen fünf Sitze. Die gleiche Zahl an Sitzen erzielten das Bürgerbündnis BOB (8,58 Prozent) und die Linke Liste (7,96 Prozent, minus 0,58 Prozentpunkte. Die FDP verlor 4,2 Prozentpunkte und ist bei 2,83 Prozent der Stimmen mit zwei Sitzen im Stadtrat vertreten.

SPD, Grüne und FDP bildeten nach der Kommunalwahl 2014 eine Koalition. Doch die Ampel zerbrach Ende 2018. Derzeit gibt es keine Koalition im Rat. Oberbürgermeister ist Daniel Schranz von der CDU. Er hat bei wichtigen Entscheidungen ebenfalls eine Stimme im Rat.

Bei dem Wähler punkten wollen „Offen für Bürger“ und BOB mit bekannten populären Themen. BOB verspricht nach einer Klausurtagung in Moers, sich für mehr Bürgerbeteiligung sowie einer effektiveren wie bürgernäheren Stadtverwaltung einzusetzen. Verstärkt will sich BOB um Senioren kümmern: „Speziell für diese Altersgruppe gibt es politisch einen enormen Nachholbedarf.“ Oberhausen solle eine seniorengerechte Stadt werden.

Wieder mehr Bürgerbeteiligung gefordert

„Offen für Bürger“ will natürlich auch mehr Bürgerbeteiligung und hat als neues Massenthema die Diskussion um höhere Parkgebühren entdeckt. „Wir brauchen eine Stadtmobilität, die das Autofahren nicht einfach nur verteuert, sondern die Umwelt schützt, sozial ist, und effiziente Alternativen zum Auto bietet“, sagt OfB-Ratsherr Werner Nowak. Man wolle nicht nur kritisieren, sondern auch konstruktiv sagen, wie man es besser machen könne.

Verdoppelung der Parkgebühren

Mit der Diskussion über die Verdoppelung und Ausweitung der Parkgebühren in Alt-Oberhausen und Sterkrade setzt OfB mit ihrem Polit-Springer Albert Karschti auf ein emotionales Thema, das betroffene Bürger stark bewegt. Das ist schon einmal Karschti mit seiner alten Truppe BOB gelungen: Damals formierte sich eine Protesttruppe um den Abriss des früher so beliebten „Haus der Jugend“ auf dem John-Lennon-Platz – eine von zwei Keimzellen des Bürgerbündnisses Oberhausen (BOB), das dann seinen spektakulären Wahlerfolg erzielen konnte.

Mit populistischen und populären Themen von Wutbürgern kennen sich allerdings nicht nur erfahrene Mitglieder von Wählergemeinschaften aus: Auch die AfD steht in den Startlöchern, Ratssitze in Oberhausen im Herbst 2020 zu erobern. Ihr Kreisverband lässt über AfD-Sprecher Wolfgang Kempkes mehr und mehr Pressemitteilungen schreiben – über zu hohe Parkgebühren, verwilderte Wege auf Friedhöfen mit Soldatengräbern, angeblich zu teure Wissenschaft in Dachgärten und zu wenige Bäume in der Stadt.