Oberhausen. Streben SPD, Grüne und FDP den Ratsbürgerentscheid über die Verlängerung der Linie 105 nur an, um dem Projekt ein Begräbnis Erster Klasse zu bereiten?

Mehr als zwei Stunden diskutierte der Oberhausener Rat am Montagabend noch einmal nach all den Sitzungen in den Fachgremien über den Bahn-Lückenschluss zwischen Essen-Frintrop und dem Centro.

Zieht man die üblichen Beleidigungen und Beschimpfungen ab, erlebten die Zuschauer auf der Tribüne eine zwar leidenschaftliche, aber weitgehend sachliche Debatte über die Vor- und Nachteile der 80-Millionen-Euro-Straßenbahnstrecke.

300.000 Euro Betriebskosten

SPD-Fraktionsvize Karl-Heinz Emmerich zeigte Verständnis dafür, dass viele Bürger einen Widerspruch zwischen den hohen Baukosten für die Bahn und den Sparbemühungen einer armen Stadt sehen. Doch: „Ent­scheidend sind die zusätzlichen Betriebskosten von 300.000 Euro im Jahr – das ist viel Geld, aber es sind nur 0,6 Prozent des Jahresumsatzes der Stoag. Dies kann man schultern.“ Sein Appell: „Das Ruhrgebiet hat bei der Infrastruktur Nachholbedarf. Wir dürfen an der Stadtgrenze nicht Halt machen; der Pendlerverkehr über die Städte hinweg nimmt zu.“ Die Strecke habe einen doppelt so hohen volkswirtschaftlichen Nutzen wie die Kosten betragen.

CDU-Wirtschaftspolitiker Denis Osmann brachte die Sorgen der Opposition auf den Punkt: „Wir sind für den Lückenschluss, aber 80 Millionen Euro für nur 3,3 Kilometer – die Kosten dafür sind viel zu hoch, weil man die Strecke teuer aufständert.“ Die wegen der Überquerung von Bahntrasse und Straßen über weite Strecken auf Betonpfählen zur Marina/Sealife geführte Verbindung zerteile unnötig das Stahlwerksgelände. Die von Gutachtern des Bundes erwarteten 8000 zusätzlichen Fahrgäste pro Tag im Stoag-Netz seien mehr als unwahrscheinlich.

BOB sieht hohes Kostenrisiko

In die gleiche Kerbe schlug BOB-Fraktionschef Karl-Heinz Mellis. „Das Kostenrisiko für die Stadt ist sehr hoch. Der kommunale Eigenanteil von 13 Millionen Euro ist nicht ohne Leistungskürzung bei der Stoag zu stemmen.“ Die Ampel sei selbst nicht von dem Projekt überzeugt, sonst würde sie keinen Bürgerentscheid anstreben.

Auch Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik vermutet: „Die SPD will sich mit dem Bürgerentscheid durch die Hintertür vom Projekt verabschieden.“ Die Trasse sei so teuer, dass sie zu weiteren Einschnitten bei der Stoag führen werde, warnte er.

Grünen-Fraktionschef Regina Wittmann appellierte dagegen an alle, sich für die seit Jahren geplante Strecke über Sealife und den Gasometer einzusetzen. „Wir sollten die Zukunftschance für die Region nutzen.“ Die Alternativstrecke der CDU sei fachlich durchgefallen und nicht mehr zu realisieren, weil sich das Zeitfenster für die Fördergelder schließe.