Mülheim. Wolfgang Feldmann gibt am heutigen Mittwoch nach zwölf Jahren das Amt des Vorsitzenden im Katholikenrat ab. Der 63-Jährige blickt sorgenvoll auf die Kirche und plädiert für eine stärkere Ausrichtung auf die Gegenwart. Eine große Gefahr sieht er in den erzkonservativen Kräften.
Der Katholikenrat, der als Laiengremium in Mülheim rund 51 700 Katholiken vertritt, bekommt eine neue Spitze. Wolfgang Feldmann, der zwölf Jahre als Vorsitzender dem Gremium vorstand, hört auf. Nicht aus Ärger oder Frust. Neue Leute, sagt er, brächten neue Ideen, neue Impulse. Er bleibt im Kirchenvorstand von St. Barbara, er bleibt ehrenamtlich in der Ladenkirche tätig, er bleibt in jedem Fall der Kirche eng verbunden – seit Kindheit an.
Können Sie sich an Ihre ersten Begegnungen mit Kirche erinnern?
Wolfgang Feldmann: Gut sogar. Ich war Schüler einer Realschule in Oberhausen. Mein Mathelehrer war Prälat, er las morgens um 6 Uhr in einem Nonnenkloster die heilige Messe. Er suchte einen Messdiener, ich meldete mich. Nach der Messe und vor Schulbeginn bekam ich bei den Nonnen Frühstück, da kam schon mal der Prälat rein und sagte: Wir schreiben heute eine Mathearbeit, könnte sein, dass dies und das vorkommt. . .
Sie haben also in Mathematik von der Kirche profiert!
Feldmann: So kann man es sehen. Ich ging dann auch für die Haushälterin vom Prälaten einkaufen – das gab 50 Pfennig und eine Tafel Schokolade. Vielleicht rührt mein ehrenamtliches Engagement für Kirche aus jener Zeit. Ich habe mir auch den kindlichen Glauben bewahrt, bis heute.
Sicher erinnern Sie sich dann auch an die vollen Kirchen von einst. Was empfinden Sie, wenn Sie heute die oft leeren Bänke sehen?
Feldmann: Das macht mich sehr traurig. Vor zwölf Jahren, als ich das Amt des Vorsitzenden im Katholikenrat übernahm, gab es 70.000 Katholiken in Mülheim, heute sind es nur 51.000.
Haben Sie eine Erklärung?
Feldmann: Sicher, die Missbrauchsskandale. Sicher, Bischöfe wie in Limburg. Das wiegt schwer. Das ist es aber nicht nur. Kirche hat es verpasst, sich der Gegenwart anzupassen. Sie setzt viel zu stark auf Traditionen. Kirche meinte, sich zu stark in das Leben der Menschen einmischen zu müssen. Das will keiner mehr. Und sie grenzt noch immer aus, denken wir nur an die Geschiedenen/Wiederverheirateten.
Können Sie verstehen, dass Frauen nicht Priester werden dürfen?
Feldmann: Auch so ein Punkt, dafür gibt es heute keinen Grund mehr. Nur weil das vor 2000 Jahren mal so war, kann man heute nicht noch daran festhalten. Die Kirche sollte viel stärker Laien einbeziehen. Es wäre möglich, wenn sie wollte.
Mit Papst Franziskus zeigt sich in vielem ein neues Denken von Kirche. Schafft sie die Wende in Deutschland?
Feldmann: Es wird die Auseinandersetzung der Erzkonservativen und der Weltoffenen geben. Und wenn die Konservativen sich jetzt wieder durchsetzen sollten, fürchte ich, dass sie der Kirche großen Schaden zufügen und die Austritte weiter zunehmen.
Wer austritt, wird nicht unbedingt ungläubig. Zum Beten kann man doch auch allein in den Wald gehen.
Feldmann: Kann man, aber das ersetzt keinesfalls die Gemeinschaft der Gläubigen. Das ist ein sehr gutes Gefühl.
Wenn die Schrumpfung der katholischen Kirche weitergeht, welche Prognose haben Sie dann für Mülheim?
Feldmann: Es gibt bereits Berechnungen, nach denen es um 2030 herum in Mülheim nur noch eine Pfarrei gibt, und das wird St. Mariä Geburt in der Innenstadt sein. Das bedeutet nicht, dass es in der Stadt sonst keine Kirche mehr gibt. Die Arbeit von Laien wird jedoch noch wichtiger.
Kriege in so vielen Ländern, wachsende Bedrohung durch Terror, Seuchen, die sich ausbreiten – müssten die Kirchen nicht voll sein?
Feldmann: Kirchen müssen auf die Probleme eingehen, versuchen, Antworten zu finden. Es gibt in einigen Kirchen Friedensgebete, wo es um Themen wie Bedrohung geht. Das sind Angebote, die auch kindgerecht sein können und sollten.
Wenn ein Kind oder auch ein Erwachsener Sie fragen würde: Warum lässt ein Gott das Elend zu? Hätten Sie eine Antwort?
Feldmann: Es ist in der Tat so, dass Menschen auch mit solchen Sorgen in unsere Ladenkirche in der Innenstadt kommen und solche Fragen stellen. Menschen, die vielleicht auch gerade erfahren haben, dass sie schwer krank sind. Ich habe darauf keine Antwort.
Nach zwölf Jahren an der Spitze im Katholikenrat – worauf sind Sie stolz?
Feldmann: Zum Beispiel auf die Ladenkirche. Oder dass wir auf dem Höhepunkt der Missbrauchsskandale öffentlich in der Innenstadt uns dem Thema gestellt, mit Menschen darüber gesprochen haben. Oder: Wir haben mit der Nikolaus-Groß-Medaille eine Auszeichnung für Christen in der Stadt geschaffen.