Mülheim. Thomas von Mitschke-Collande, Unternehmensberater und kritischer Katholik aus Bayern, trat beim Jahresempfang des Bischofs als Festredner vor rund 450 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf.

Im Bistum Augsburg, wo er herkommt, hätte er nicht so nicht reden dürfen, gibt er zu verstehen und bezeichnet seine Einladung an die Akademie „Die Wolfsburg“ als ein „Zeichen des Aufbruchs“ im Bistum Essen. Thomas von Mitschke-Collande, Unternehmensberater und kritischer Katholik aus Bayern, trat beim Jahresempfang des Bischofs als Festredner auf: Rund 450 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlebten eine nachdenkliche, unterhaltsame Stunde.

Mit diesem Festredner blieb die „Wolfsburg“ ihrem Weg treu: Querdenker, die aufwühlen, die nachdenklich stimmen, die zum Widerspruch auffordern, sind in Speldorf willkommen. Thomas von Mitschke-Collande gehört dazu.

Zustand der Kirche analysiert

Wie ein Unternehmensberater analysiert er zunächst den Zustand der katholischen Kirche, die sich aus seiner Sicht in einer dramatischen Abwärtsspirale befindet, vergleichbar mit der Säkularisierung vor 200 Jahren. Das Grundvertrauen der Menschen sei in ein Grundmisstrauen umgeschlagen. Drei Viertel der Katholiken äußern sich gegenüber ihrer Kirche inzwischen kritisch.

Was tun? Verharmlosen, wegschauen, weitermachen wie bisher, die Medien verantwortlich machen, sich dem Zeitgeist anpassen, gesundschrumpfen – all diese Vorschläge gebe es in Kirchenkreisen, sagt der frühere Direktor der Unternehmensberatung McKinsey. Für ihn sind das jedoch keine Auswege. Vielmehr plädiert er für ein neues Selbstverständnis von Kirche. Weg von der bislang alles überschattenden Hierarchie, wo oben der Klerus und tief unten das Kirchenvolk steht, das gehorsam sein soll. Die Pyramide auf dem Kopf stellen, rät von Mitschke-Collande, die Ortskirche stärken.

Das Menschliche in den Mittelpunkt stellen

Das Menschliche müsse sie viel stärker in den Mittelpunkt stellen, eine Kultur des Miteinanders sollte viel intensiver gepflegt werden. Der Unternehmensberater zitiert seinen alten Dorfpfarrer mit: „Lieber breche ich ein Kirchengesetz als das Herz eines Menschen.“ Eben solche Sätze hörten manche Kirchenfürsten leider immer noch nicht gerne, ist er überzeugt. „Das Hauptaugenmerk muss auf den Kirchenfernen liegen.“ Daher auch die Empfehlung: Kirche muss die Sprache ändern, sie ist für viele völlig unverständlich. Eine alte Klage.

Am Ende kommt es auf jeden einzelnen Gläubigen an, wenn der Abwärtstrend gestoppt werden soll. In Anlehnung an Kennedy könnte die Denke lauten: Was kann ich für die Kirche tun? Eine Menge glaubt der Festredner: Mut zur Armut, echte Solidarität mit den Armen gehören für ihn dazu. Das hieße aber auch: Das Gemeindeleben muss sich zum Teil stark ändern. Bescheidenheit als Merkmal einer Kirche, die reich wie nie zuvor ist – das wäre es für von Mitschke-Collande. Papst Franziskus sieht er als Vorbild, Mutmacher und hofft, dass er durchhält.

Dialog mit Laien

Vieles von dem, was Thomas von Mitschke-Collande sagte, dürfte Bischof Franz Overbeck gefallen haben: Der im Bistum geführte Dialog mit Laien ist für ihn eine geistliche Erneuerung von innen. Über die Krise zu klagen, so Overbeck, sei menschlich verständlich, allerdings nicht hilfreich – im Gegenteil.