Mülheim. Heute stehen knapp 200 computergesteuerte Signalanlagen im gesamten Stadtgebiet. Ihre Zahl sinkt leicht, aber ein Auslaufmodell sind sie sicher nicht. Kompliziertester Knotenpunkt ist der Berliner Platz.

Wer wollte, konnte in dieser Woche den hundertsten Geburtstag einer technischen Errungenschaft feiern, die heutzutage an jeder Ecke das Tempo vorgibt: Am 5. August 1914 wurde in Cleveland (USA) die erste elektrische Ampel der Welt eingeschaltet. In Mülheim bestand seinerzeit noch kein Bedarf, hier regelten bis in die Fünfzigerjahre ausschließlich uniformierte Schutzmänner den spärlichen Verkehr.

Erst am 6. Juli 1954 stellte man, ohne feierliches Brimborium, an der Mühlenbergkreuzung, nahe der heutigen Stadthalle, die erste Signalanlage auf. Der bald zahlreiche folgten: Als große Zeit der rot-gelb-grünen Lichter gelten die Sechziger-, Siebzigerjahre: „Da gab es eine richtige Ampelmania“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. „Man wollte eine verkehrsgerechte Stadt bauen, was hieß: autogerecht.“

Momentan verteilen sich knapp 200 „Lichtsignalanlagen“ über die Stadt, worunter Fachleute nicht einzelne Ampelmasten verstehen, sondern den gesamten Knotenpunkt: von der einfachen Fußgängerquerung bis zur großen Kreuzung. Als kompliziertestes und teuerstes System in Mülheim bezeichnet der Leiter der Verkehrsplanung, Roland Jansen, den modernen Knotenpunkt am Berliner Platz. Hier, wie auch an anderen Stellen der City, sind die Ampeln verkehrsabhängig gesteuert. Mit Hilfe von Induktionsschleifen in der Straße, Kameras oder Tasten werden die Bewegungen von Autos, Fußgängern, Zweirädern, Bussen und Bahnen registriert und die Freigabezeiten entsprechend abgestimmt.

Ampel ist kein Auslaufmodell

Alle Signale laufen im Verkehrsrechner unter dem Dach des Technischen Rathauses zusammen. „Es gibt keine fertige Verkehrssteuerung für Mülheim“, erklärt Jansen, „weil sich der Fluss ständig ändert.“ Manchmal allein dadurch, dass ein attraktiver Laden neu eröffnet. Auch die Verkehrsteilnehmer ändern sich, so steigt etwa das Durchschnittsalter der Fußgänger, zugleich sinkt ihre Geschwindigkeit. Die Verkehrsplaner arbeiten bei der Ampelsteuerung mit „Räumzeiten“, berechnen, wie lange jemand braucht, um zur anderen Straßenseite zu gehen. Momentan werden durchschnittlich 1,2 Meter pro Sekunde zugrunde gelegt, in Zukunft dürfte es deutlich weniger sein.

Ampeln zu betreiben, kostet Geld, „daher wurden seit 2010/2011 alle Mülheimer Signalanlagen auf den Prüfstand gestellt“, berichtet Roland Jansen. Dies geschah allerdings nicht nur aus Gründen der Haushaltskonsolidierung, sondern auch im Zusammenhang mit dem Modell „Simply City“. So wurde die Ampel an der Paul-Kosmalla-Straße im Herzen von Heißen durch einen Kreisverkehr ersetzt. Sechs weitere Signalanlagen sind entfallen, teilweise zugunsten von Zebrastreifen. Die Einsparungen summieren sich auf bislang gerade einmal 11.400 Euro.

Ein Auslaufmodell ist die Ampel ohnehin nicht. Sie hat engagierte Fürsprecher, dazu zählen viele Bezirksvertreter, aber auch Eltern von Schul- oder Kindergartenkindern.

Nachts wird auf Blinkgelb umgeschaltet

Man muss auch einfach mal abschalten können: Bei den Ampeln an Mülheimer Straßen geschieht dies zu nächtlicher Stunde im großen Stil. In der Zeit zwischen 23 Uhr abends und 4 Uhr früh werden regelmäßig 168 der insgesamt knapp 200 Signalanlagen auf warnendes Blinkgelb zum Beachten der Vorfahrt umgestellt. Nur an wenigen kritischen Stellen läuft durchgängiger Betrieb.

„Die Nachtabschaltung ist bei uns wesentlich umfangreicher als in anderen Städten“, erklärt der Leiter der Verkehrsplanung, Roland Jansen. Sie ist die Regel, von der begründete Ausnahmen festgelegt werden. Anderswo handhabt man es umgekehrt.

Beginnend mit April 1997 waren zunächst sogar alle Mülheimer Anlagen in Nachtruhe versetzt worden. Eine Auswertung im Jahr 1998 führte aber dazu, dass Ampeln an innerstädtischen Unfallschwerpunkten pausenlos mit Rot-Gelb-Grün-Signalen den Verkehr regeln.

Da aber längst alle Anlagen mit LEDs funktionieren, wo früher Glühbirnen brannten, wurde der Stromverbrauch deutlich gesenkt, der Effekt der Nachtabschaltung stark abgeschwächt. „Viel Geld sparen wir dadurch nicht mehr“, sagen die Verkehrsplaner.