Mülheim. Der Begriff ist sperrig, das Angebot aber ist auf Erleichterung ausgelegt: In Mülheim wird es ab August ein Zentrum für ambulante geriatrische Komplexbehandlung geben; das erste in der Region. Der Urheber, Dr. Andreas Schöpf, verspricht sich davon eine verbesserte Behandlungsqualität alter Menschen.

Kernidee einer Komplexbehandlung ist, dass alte Menschen an einem Ort von unterschiedlichen Anbietern Behandlungen und Therapien erhalten, meist für zehn bis 20 Behandlungstage und stets mehrere an einem Tag. Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, aber auch sozialmedizinische Berater und Pflegekräfte bilden dafür ein Team, das von einem geriatrisch ausgebildeten Teamarzt geleitet wird. Das Ziel ist es zum Einen, Mobilität und Selbstständigkeit zu erhalten. Zum Anderen vermeidet die ambulante Hilfe oft Klinikaufenthalte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung spricht in einem Mustervertrag von „nachhaltigen Erfolgen“ dieser Herangehensweise.

Im System nicht vorgesehen

Dennoch gibt es bislang nur wenige Zentren dieser Art in Deutschland, vorwiegend im Osten. Seit 2009 haben die großen Krankenkassen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern sogar einen Leistungskatalog mit Tagessätzen vereinbart. Flächendeckend ist die Versorgung gleichwohl nicht. Einer der Gründe: Es gibt schlicht zu wenige niedergelassene Geriater. In ganz Mecklenburg-Vorpommern ist es kein Dutzend, in NRW sind es gerade mal 16. Der Grund dafür: Geriatrie kann man nicht studieren, es ist ein praxisbezogener Zusatz. Obwohl es allein 1,4 Millionen Alzheimer-Erkrankte in Deutschland gibt und Vielfacherkrankungen allein aufgrund des Lebensalters zunehmen, ist ein Geriater damit kein Facharzt. Mit anderen Worten: Für Geriater gibt es keine Schublade.

Kein Bedarf?

Was das bedeutet, hat Schöpf selbst erlebt. Für seine Praxis hat der gelernte Neurologe, der sich seit 20 Jahren mit den Fragen des Älterwerdens beschäftigt, unverändert keine Kassenzulassung. Für einen Neurologen, und den sieht die Kassenärztliche Vereinigung in Schöpf, erkennt Sprecherin Karin Hamacher, „keinen Bedarf in Mülheim.“ Schöpfs Beteuerung, ausschließlich als Geriater zu arbeiten, nutzt da nicht. Geriater gibt es ja im Bezahlsystem gar nicht...

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Inzwischen sieht Schöpf das gelassen. „Die Zeit wird das regeln“, glaubt er. Seine Praxis jedenfalls hat sich auch ohne Kassenzulassung so gut entwickelt, dass der Schritt zu einem geriatrischen Behandlungszentrum für ihn folgerichtig war. „Es ist für die Patienten und für die Angehörigen nicht nur eine Erleichterung, sondern auch ein Motivationsschub, Fortschritte zu erkennen.“

In der Praxis erprobt

Die ersten Patienten hat Schöpf bereits nach diesem Komplexansatz behandelt, noch an der Mülheimer Kämpchenstraße. Problemlos hat er dafür Therapeuten und Pflegedienste gefunden, die zum Team dazustoßen. „Wir haben da ein gutes Angebot in Mülheim“ sagt er. Überdies gibt es erste interessierte Anfragen von Hausärzten, die das Modell begrüßen und letztlich auch verschreiben könnten. Mit dem Vermieter einer geeigneten Immobilie an der Essener Straße in Mülheim ist er ebenfalls schon fast handelseinig; zeitnah zu belegen, groß genug, genügend Parkplatz, innenstadtnah und günstig von der ganzen Region aus erreichbar.

Ein nicht ganz unwesentlicher Punkt, denn die Nachfrage, das erkennt der Geriater schon an seiner Patientenkartei und den zunehmenden Anrufen in der Praxis, macht an Stadtgrenzen beileibe nicht Halt.