Mülheim. Sparda-Bank Baden-Württemberg will Überziehungszinsen abschaffen. Geldinstitute vor Ort sind skeptisch. Auch die Schuldnerberatung warnt. Ohne Zinsen sei der Weg in die Überschuldung oft noch einfacher

Ab Juli will die Sparda-Bank in Baden-Württemberg keine Zinsen mehr bei der Überziehung des Dispo-Kredits erheben. Ist das eine neue Form der Kundenfreundlichkeit, die vielleicht auch bald bei den örtlichen Geldinstituten üblich wird?

Carsten Welp von der Schuldnerberatung der AWO steht einer solchen Praxis jedenfalls skeptisch gegenüber - vor allem hat er Zweifel, ob hier tatsächlich von „Kundenfreundlichkeit“ die Rede sein könnte. „Auf den ersten Blick macht das vielleicht den Eindruck, man würde dem Kunden entgegen kommen. Aber letztlich wird ja so die Schwelle, die Grenze zum Überziehungskredit zu überschreiten, aufgehoben.“ Höhere Zinssätze seien schließlich auch so etwas wie Warnsignale. Fallen diese weg, bestehe die Gefahr, dass der Dispositionskredit als Selbstverständlichkeit angesehen werde.

„Das ist jetzt schon vielfach der Fall. Vielen ist gar nicht klar, dass der Dispo eben auch ein Kredit ist. Sie rechnen ihn schon automatisch zum Einkommen dazu“, so Welp. Das führe dazu, dass der wichtigste haushalterische Grundsatz überhaupt schnell vergessen werden: „Ich kann nicht mehr ausgeben als ich habe.“ Welp betont: „Wenn dieser Grundsatz dauerhaft ignoriert wird, dann führt das in die Überschuldung.“ Es sei natürlich nicht immer so, aber bei vielen sei der Dispo-Kredit tatsächlich der Einstieg in die Schuldenfalle.

Dispo-Kredit ist nicht als Dauereinrichtung gedacht

„Grundsätzlich ist der Dispo-Kredit durchaus ein gutes Instrument“, erläutert Christian Urban, der als Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW arbeitet. „Er darf nur nicht von seinem eigentlich Zweck losgelöst werden. Er dient ja dazu kurzfristig, finanzielle Engpässe zu überwinden. Dann ist er tatsächlich ein kundenfreundlicher Service der Bank.“ Bei größeren Besorgungen rät er dagegen: „Wenn zum Beispiel ein Kühlschrank oder eine Waschmaschine gekauft werden soll, dann sollte lieber ein separates Darlehen aufgenommen werden. Das läuft unter günstigeren Konditionen. Darauf sollten eigentlich auch die Bank-Berater aufmerksam machen.“

Bei der Sparkasse, die mit 75.000 Kunden das größte Geldinstitut vor Ort ist, wird solcher Beratung eine große Bedeutung beigemessen: „Der Dispo-Kredit ist keine Dauereinrichtung. Bei uns wird der Kunde nach einer gewissen Zeit angeschrieben und dann wird auch ein Beratungsgespräch geführt“, betont Sparkassen-Sprecher Frank Hötzel. „Das ist eine Methode, die funktioniert. Das zeigen auch die Zahlen. Nur gut ein Prozent unserer Privatkredite sind Dispokredite.“ Die hohen Zinssätze bei dieser Kreditform erklärt er so: „Sie ergeben sich durch das hohe Ausfallrisiko.“

Dispo-Kredit in günstigeres Darlehen umschichten

Auch die Sparda Bank West, die vor Ort eine Filiale an der Eppinghofer Straße betreibt, plant nicht das Baden-Württemberger Modell zu übernehmen. Auch hier werde die Strategie verfolgt, Kunden dazu zu bewegen, ihren Dispositionskredit in ein günstigeres Darlehen umzuschichten, so die Leiterin der Unternehmenskommunikation, Ulrike Hüneburg auf Anfrage.

Stefanie Laag von der Verbrauchezentrale rät auch zu so einer Umschichtung. Allerdings helfe diese nicht, wenn schon eine Überschuldung vorliege: „Man kann keine direkte Summe nennen. Aber eine Überschuldung besteht dann, wenn mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen die laufenden Verbindlichkeiten nicht zahlen kann. Das neue Darlehen hat dann zwar günstigere Konditionen. Das hilft aber nichts, wenn diese Raten dann letztlich wieder mit dem Dispo-Kredit gezahlt werden. Da hilft nur der Gang zur Schuldnerberatung.“