Mülheim. . Eine neue EU-Richtlinie bringt Unruhe: Werden Meisterbetriebe weiter zurückgedrängt? Die WAZ sprach mit heimischen Fachleuten. Diese warnen vor einem drohenden Verfall des Qualitätsniveaus im Handwerk.

„Es droht der Verfall des Qualitätsniveaus des hiesigen Handwerks“, sagt Barbara Pezzei, Geschäftsführerin der Kreishandwerkschaft Mülheim/Oberhausen. Grund für die Aufregung ist die Richtlinie zur Berufsanerkennung der Europäischen Union. Diese soll es europäischen Bürgern ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiter erleichtern, sich in Deutschland selbstständig machen zu können. Mit den gleichen Rechten der hiesigen Gesellen. Das Problem betrifft auch Jugendliche, da nur Meister Ausbildungsplätze anbieten können.

Meisterbetriebe werden verdrängt

„Meistens ist die handwerkliche Arbeit von minderer Qualität. Das gilt im Übrigen auch für deutsche Gesellen-Betriebe“, sagt Andreas Seifried, der einen Mülheimer Meister-Betrieb im Heizungs und Sanitär-Bereich leitet. Die vereinfachte Selbstständigkeit ist seit 2004 durch eine Änderung des Handwerksgesetzes zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen möglich. Gesellen müssen jetzt lediglich nachweisen können, für längere Zeit in verantwortlicher Position gearbeitet zu haben. „Vielen geringer qualifizierten Selbstständigen fehlen betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Nach zwei Jahren sind sie insolvent“, sagt Sei­fried. Jörg Bischoff, Leiter der Fleischerei-Innung der Kreishandwerkschaft sieht das Problem vor allem bei Berufen wie dem Fliesenleger. „Mittlerweile gibt es in der Nachbarstadt Oberhausen etwa nur noch einen Fliesenleger-Betrieb mit Angestellten“, so Bischoff. Alle anderen Fliesenleger-Meister-Betriebe sind hier durch die Konkurrenz verdrängt worden.

Für Mülheim kann besonders für die letzten zehn Jahre ein deutlicher Rückgang an solchen Meister-Betrieben verzeichnet werden. Während es von 1993 bis 2003 im Schnitt noch 1075 Meister-Betriebe gab, nahm die Zahl zwischen 2004 und heute stark ab: 945 durch Meister geleitete Betriebe sind übrig geblieben. Das ist ein durchschnittlicher Rückgang von 12 %. Eine ähnliche Entwicklung befürchten die Mitarbeiter der Kreishandwerkskammer Mülheim/Oberhausen, wenn die neue EU-Regelung ihre Wirkung entfaltet. Im schlimmsten Fall werde das ein weiteres Verdrängen von Traditions-Unternehmen und gleichzeitig auch einen Rückgang der Ausbildungsplätze zur Folge haben. Diese sänken schließlich parallel.

Seifried: Geiz nicht geil

Trotz der schlechten Lage des Handwerks sieht Seifried der Zukunft positiv entgegen: „Klar wird es noch zu einigen Schließungen kommen. Bald wird aber der Siedepunkt erreicht sein. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich Qualität durchsetzt. Auch Kunden kommen langsam dahinter, dass Geiz nicht geil ist. Oftmals melden sie sich bei uns, damit wir verzapfte Arbeit berichtigen.“