Mülheim.

Geschichten gehen verloren, wenn sie niemand weitererzählt. Erinnerungen festzuhalten und der nächsten Generation mit auf ihren Weg zu geben, das hat sich vor zwei Jahren die Zeitzeugenbörse Mülheim zur Aufgabe gemacht. Nun sucht das ehrenamtliche Projekt neue Mitstreiter. Mülheimer, die ihre Lebensgeschichte erzählen mögen, auch und gerade vor Schülern.

„Jede Generation baut die Straßen, auf denen die nächste fährt“ – dieses japanische Sprichwort steht Pate für die Mülheimer Zeitzeugenbörse, die Elke Kurschat und Brigitte Reuß 2011 aus der Taufe gehoben haben. Nach einem Aufruf in der WAZ meldeten sich 24 interessierte Mülheimer Zeitzeugen, acht von ihnen sind heute immer noch am Ball. Unterstützt werden sie von vier ehrenamtlichen Moderatorinnen – neben Kurschat und Reuß sind dies Renate Beckmann und Eva Rytz.

Die älteste aktive Zeitzeugin ist 87 Jahre alt

Erst haben die Zeitzeugen ihre Lebensgeschichte bei regelmäßigen Treffen der Gruppe erzählt, haben sie sortiert, Schwerpunkte gesetzt, ihre Geschichte durch Nachfragen der Gruppe verdichtet. Erinnerungen werden verschriftlicht. „Zeitzeuge ist man aber erst dann“, erklärt Brigitte Reuß das Prinzip der Börse, „wenn man die Geschichte, die man zu erzählen hat, öffentlich präsentiert hat.“

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So bieten sich die Teilnehmer für Zeitzeugenberichte in Schulen an, kostenlos. Nicht nur in Mülheim sind so Kontakte entstanden, auch Schulen anderer Ruhrgebietsstädte greifen gerne auf die Mülheimer Zeitzeugen zurück, weil eine Unterrichtsstunde mit ihnen Historisches hautnah erleben lässt. Etwa die Kindheit und Jugendzeit während des Nationalsozialismus mit Bombenkrieg und Kinderlandverschickung. Oder auch die Nachkriegsjahre mit Währungsreform und Wiederaufbau. Die älteste aktive Zeitzeugin der Gruppe, Brigitte Block, ist Jahrgang 1926, sie kann auf 87 Jahre zurückblicken.

Zeitzeugenbörse seit einem Jahr im Internet

Fast alle der Zeitzeugen haben schon Schuleinsätze hinter sich. „Es ist interessant, wie sie ihre eigene Schulzeit erlebt haben“, berichtet Moderatorin Renate Beckmann vom großen Interesse heutiger Schüler, etwas über Schule anno dazumal zu erfahren. „Das wird oft in Schulen erzählt“, sagt Beckmann. Seit einem Jahr ist die Zeitzeugenbörse im Internet zu finden. Schulen im Ruhrgebiet, die Zeitzeugen einbinden wollen in ihren Unterricht, werden auf die Mülheimer Gruppe stoßen. Denn Zeitzeugenbörsen gibt es nicht viele.

Die vier Moderatorinnen wünschen sich, neben der bestehenden eine weitere Gruppe mit neuen Zeitzeugen bilden zu können. Vielleicht haben die ganz andere Geschichten zu erzählen. . .