Mülheim. . Helmut Hermann (84) ist heute Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten. Seine Kindheit unter dem Nazi-Terror prägte ihn, wie die Männer der SA seinen Vater aus der Wohnung geprügelt haben, wird er nie vergessen.
80 Jahre ist es her; Helmut Hermann war gerade vier Jahre alt, dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – hat sich diese Erinnerung in seinem Gedächtnis festgesetzt. Dieser Anblick, wie Männer der SA seinen Vater „aus der Wohnung geprügelt“ haben. „Solche Bilder“, sagt er, „vergisst man nicht.“ Und sie bestimmten seitdem seinen Weg. Fast 30 Jahre lang war Helmut Hermann Kreisvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), deren Ehrenvorsitzender er nun ist.
Das in den Jahren der NS-Herrschaft Erlebte ist Helmut Hermanns Antrieb. In Mettmann, genauer: Im Neanderthal lebte die Familie, als 1933 sein Vater Josef verhaftet wurde, weil er Kommunist war. Er durfte seinen Beruf als Scherenschleifer nicht mehr ausüben, musste in einem Steinbruch schuften. Weil er seine Söhne nicht zur HJ schickte, wurde er bedroht. Dennoch hielt er an seinen Überzeugungen fest – eine Eigenschaft, die sein Sohn von ihm übernahm: „Alle meine Erfahrungen haben mich in meiner politischen Linie bestärkt.“
FDJ führte Hermann nach Mülheim
Noch 1945 absolvierte Helmut Hermann die Grundausbildung in einem Lager der Wehrmacht, ging nach einem Heimurlaub aber nicht wieder dorthin zurück. Die Heimkehr seines älteren Bruders Günter aus russischer Gefangenschaft im Jahr 1949 markiert den Beginn Hermanns Engagement: „Durch ihn bin ich in die FDJ eingetreten, in die Gewerkschaft und die KPD.“
Wenn sich der 84-Jährige heute an die ersten Jahre der Bundesrepublik erinnert, kommt ihm vor allem „Anti-Kommunismus“ in den Sinn. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) etwa gilt in Westdeutschland ab 1954 als verfassungsfeindlich. Doch eben sie war es, die ihn Anfang der 50er Jahre nach Mülheim führte. Als Verantwortlicher für NRW erstellte der gelernte Zimmermann, der bei Siemens/KWU arbeitete, Flugblätter und Plakate und war dabei aufgrund des Verbots „illegal unterwegs“. Eine feste Bleibe hatte er in dieser Zeit nicht, sondern übernachtete auf Sofas von Freunden. „Ich hatte unverschämtes Glück; ich bin nie verhaftet worden.“ Vielleicht, glaubt er, hat ihm seine Mitgliedschaft in der IG Bau davor bewahrt.
Ausstellung läuft noch bis Anfang Februar
1974 trat Helmut Hermann in die Mülheimer VVN-BdA ein und übernahm schnell ehrenamtlich erste Ämter: 1984 wurde er Vorsitzender. Ende der 1970er begann er mit anderen mit der Aufarbeitung der Mülheimer NS-Zeit. 20 Menschen fanden sich in einem Arbeitskreis an der VHS zusammen – und trafen mit ihrem Ansinnen zunächst auf wenig Interesse.
Doch die Gruppe gab nicht auf, durchforstete Archive und fanden schließlich doch Zeitzeugen, die zum Interview bereit waren. Die rund 400 Seiten starke Dokumentation „1933-1945 – Widerstand und Verfolgung in Mülheim an der Ruhr“ entstand so. Sie ist die Grundlage für eine Ausstellung, die bereits zweimal überarbeitet wurde und noch bis Anfang Februar im Rathaus ausgestellt ist.
Regelmäßig führt er Interessiert, vor allem Schüler, durch die Ausstellung. Stadtrundgänge leitet der 84-Jährige, der auch dem Arbeitskreis Stolpersteine angehört, zudem. Immer wieder sagt er sich: „Das, was du erlebt hast, darf nicht wieder geschehen.“
Dokumente dürfen Haus der Stadtgeschichte nicht verlassen
Den Vorsitz hat er zwar an seinen Nachfolger Andreas Marquardt abgegeben, doch auch künftig wird Helmut Hermann in der VVN-BdA aktiv sein und sich so lange und so gut er kann weiter einbringen und ehrenamtlich engagieren.
Aktuell sichten die Angehörigen der Vereinigung ihre zahlreichen historischen Dokumente, da sie sie dem Stadtarchiv überreichen möchten.
So hätten alle Mülheimer auf die Unterlagen Zugriff. Allerdings, sagt Helmut Hermann, sei die Voraussetzung dafür, dass die Dokumente das Haus der Stadtgeschichte nicht verlassen.