Mülheim. Die Große Koalition hat sich auf eine Frauenquote in Dax-Unternehmen geeinigt. Darüber hinaus sollen drei der sechs SPD-Minister weiblich sein. Doch in Mülheim ist Politik noch immer Männersache. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt fordert nun von den Parteien eine gezielte Frauenförderung.
Namen nennt SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zwar noch nicht, fest steht aber, von den sechs sozialdemokratischen Ministern soll die Hälfte weiblich sein. Die Große Koalition hat sich außerdem auf eine Frauenquote für Dax-Unternehmen verständigt.
Doch in Mülheim stellt sich weiterhin die Frage: Warum ist die Kommunalpolitik in Zeiten, in denen wir von einer Oberbürgermeisterin, einer Ministerpräsidentin und einer Bundeskanzlerin regiert werden,immer noch so stark von Männern dominiert? Und was müsste sich am Politikbetrieb ändern, damit er weiblicher wird? „Die Frauen wollen mitmachen und gestalten“, ist sich die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Antje Buck sicher. Gerade erst hat sie mit zwölf Frauen zwischen Anfang 30 und Mitte 50 gesprochen, die sich in einem Kurs der Volkshochschule mit den Grundlagen der Kommunalpolitik vertraut gemacht haben.
Frauen dort suchen, wo man sie findet
„Was viele Frauen an der Kommunalpolitik abschreckt, ist deren Anwesenheitskultur. Eine Sitzung muss aus ihrer Sicht einen Anfang und ein Ende haben. Frauen wollen in einer fest umrissenen Zeit klare Ziele erreichen,“ betont Buck. Auch wenn die Amtsleiterinnen bei der Stadtverwaltung noch in der Minderheit sind, empfiehlt Buck den Parteien, sich an der Frauenförderung im öffentlichen Dienst zu orientieren. „Die Parteien müssen Frauen mit ihren kommunikativen und empathischen Fähigkeiten entdecken und gezielt fördern. Denn Frauen ziehen wieder neue Frauen nach sich.“ Sie rät den Parteien, Frauen dort zu suchen, wo man sie finde, etwa im in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen oder im Gesundheitswesen.
Wie sehen die Politikerinnen vor Ort selbst die Situation? „Frauen heben im Ortsverein nicht unbedingt den Finger und sagen: Ich will für dieses oder jenes Amt kandidieren. Sie wollen angesprochen werden. Und sie sind auch öfter als Männer von Selbstzweifeln geplagt“, glaubt Bürgermeisterin Renate aus der Beek, die seit 1998 für die SPD im Rat der Stadt sitzt.
Den Sprung in die Kommunalpolitik wagte sie aber erst, als ihre beiden Kinder größer waren. Deshalb hat sie auch Verständnis dafür, dass viele junge Frauen zwischen Beruf und Familie stundenlangen Sitzungen scheuen, die mit der Kommunalpolitik verbunden sind. „Junge Frauen sind bereit, sich in einem Projekt zu engagieren“, sagt aus der Beek, die 2014 nicht noch einmal antritt. Aber sie nennt auch die Schattenseiten der Gremiendemokratie. „Sie wollen nicht auf lange Sicht Stunde um Stunde in einem Ausschuss sitzen, um sich dann irgendwann zu Wort zu melden.“
Frauen sind pragmatischer
„Frauen gehen pragmatischer an Probleme heran und wollen nicht so lange drumherum reden. Und in der Kommunalpolitik braucht man schon ein dickes Fell und muss sich erst mal durchboxen, ehe man dann das gute Gefühl erlebt, etwas bewegen zu können“, schildert Meike Ostermann ihre Erfahrungen als Ratsfrau der FDP. Sie kandidiert auch 2014 wieder, kann aber nachvollziehen das viele Frauen vor einer Dreifachbelastung als Berufstätige, Mutter und Mandatsträgerin zurückschrecken. Deshalb plädiert sie für kürzere und damit familienfreundlichere Sitzungstermine, kompaktere und damit schneller lesbare Ratsvorlagen und eine stärkere Entlastung der ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen durch hauptamtliche Zuarbeiter.
Eine überraschende Koalition ergibt sich zwischen der ehemaligen FDP-Ratsfrau und Bundestagsabgeordneten Ulrike Flach und der Vorstandssprecherin der Grünen, Franziska Krumwiede. Beide plädieren für eine Frauenquote, die fähigen Frauen die Chance gibt zu zeigen, was sie können und Männer dazu zwingt, ihnen diese Chance zu geben. „Es gibt eine scharfe Konkurrenz in der Politik. Und da werden Frauen von Männerseilschaften oft weggedrückt.
Dagegen schafft die Quote einen positiven Druck auf beide Seiten“, sagt Flach. Und Krumwiede weist auf das erfolgreiche Quotenbeispiel ihrer Partei hin, in der die Frauen inzwischen sogar mehr als 50 Prozent der Ratsmitglieder und der Ratskandidaten stellen. „Wenn die politische Kommunikation weniger verletzend und zielorientierter wäre und es bei Sitzungen auch eine Kinderbetreuung gäbe, würden sich mehr Frauen in der Kommunalpolitik engagieren“, ist Krumwiede überzeugt.
Ob Frauen den Sprung in die Kommunalpolitik wagen, ist für Wir/Linke-Ratsfrau Carmen Matuszewski vor allem eine Frage der Erziehung. Viele Männer seien eher dazu erzogen, sich mit natürlicher Aggressivität durchzusetzen, während vielen Frauen ihre gutbürgerliche Erziehung im Wege stehe, die darauf ziele, angenehm und nett zu sein.
Nur eine Frage der Zeit
Angesichts der vielen jungen, gut ausgebildeten und politisch interessierten Frauen in ihrer Partei ist es für CDU-Ratsfrau Ramona Baßfeld aber nur noch eine Frage der Zeit, wann auch in der zu einem Drittel weibliche CDU-Ratsfraktion der 50-prozentige Frauenanteil erreicht sein wird, der in der Partei schon heute „in fast allen Gruppen und Arbeitskreisen unserer Partei“ erreicht wird.