Mülheim.

Nun wohl doch: Nach dem Klageerfolg der Stadt Ennepetal vor dem Oberlandesgericht empfehlen jetzt auch die von Mülheim eingeschalteten Gutachter eine allumfassende Schadenersatzklage wegen der von der Stadt gegen die Commerzbank und West LB verwetteten Millionen. Insgesamt geht es – bis heute – um einen von der Stadt benannten Verlust in Höhe von insgesamt gut 10,9 Mio. Euro.

Hatte die Stadt nach einer Einschätzung des eigenen Rechtsamtes 2008 und nach einem richtungsweisenden Urteil des Bundesgerichtshofes im März 2011 noch beteuert, es bestünden überhaupt keine Ansatzpunkte für etwaige Schadenersatzansprüche, ist sie in der Folgezeit eines Besseren belehrt worden. Die Rechtseinschätzung von einst darf heute als überholt gelten, wenn sie nicht schon überholt war zum Zeitpunkt des benannten Bundesgerichtshofurteils. Der Gerichtshof hatte seinerzeit die Deutsche Bank zu Schadenersatz verdonnert, weil sie einen Mittelständler vor Abschluss eines sogenannten Derivatgeschäftes nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt hatte.

Gutachter empfahl nur Klage für eine Wette

„Das tangiert uns nicht“, wiegelte die Stadt damals auf WAZ-Anfrage ab. Heute steht fest: Das Urteil des Bundesgerichtshofes war, wie damals schon von Experten beurteilt, eben doch richtungsweisend für wettgeschädigte Städte wie Mülheim. Schlussendlich hat dies nun, nach einem klarstellenden Richterspruch in zweiter Instanz zu Gunsten der Stadt Ennepetal, auch Mülheim anerkannt.

Wenn eine Bank Kommunen vor Abschluss einer Wette (und ist sie scheinbar noch so einfach strukturiert) nicht darüber aufklärt, dass das Verlustrisiko für die Kommune höher ist als das der Bank beziehungsweise schon eingepreist ist in die Wette, so besteht ein Anspruch auf Schadenersatz.

Eben eine solche Verletzung der Beratungspflichten hatten Mülheims Gutachter von der Kanzlei Baum, Reiter & Co. zwar schon früh für Mülheims erste Wetten mit der Commerzbank (Januar 2004) festgestellt. Erstaunlicherweise rieten sie im April 2012 dennoch von einer Klage ab. Nur für eine von zahlreichen Wetten aus den vergangenen zehn Jahren empfahlen sie eine Klage. Sie ist eingereicht – es geht um einen Verlust aus der laufenden Franken-Wette von aktuell 3,41 Mio. Euro.

Prozesskostenrisiko liegt bei 226.000 Euro

Nach dem Ennepetal-Urteil sehen nun auch Mülheims Gutachter die Chance, sämtliche Verluste per Schadenersatzklage zu tilgen. Die Erfolgsaussichten eines Klageverfahrens, so stellen sie fest, seien „nunmehr deutlich erhöht“. Risikofrei sei eine Klage aber nicht. Das Prozesskostenrisiko für die erste Instanz beziffert die Stadt mit 226.000 Euro.

Dem gegenüber stehen die von der Stadt errechneten Verluste in Höhe von gut 10,9 Mio. Euro, die bis jetzt angefallen sind. Darüber hinaus würde sich die Stadt bei einem Klageerfolg nach WAZ-Risikoberechnung davon befreien, bis zum Jahr 2026 möglicherweise weitere knapp 10 Mio. Euro Verlust zu machen.

Fragenkatalog blieb unbeantwortet

Die Stadt kündigte an, dass sie gewillt ist, auf Schadenersatz in vollem Umfang zu klagen. Dem Finanzausschuss will die Verwaltung nun eine entsprechende Beschlussvorlage vorlegen. Der Ausschuss tagt am 4. November.

Einen Fragenkatalog der WAZ zu Details der einzelnen Wettgeschäfte ließ die Stadt zuletzt unbeantwortet. Sie werde sich vor der Finanzausschusssitzung nicht äußern. Die WAZ hatte u.a. nach Festzinszahlerswaps der Stadt gefragt, für die bisher wenig Aufklärung betrieben wurde. Auch eine Frage zur erforderlichen Konnexität der Wetten zu Grundgeschäften der Stadt blieb unbeantwortet.