Mülheim. .

Der Haushalt mit Rekordlücke, die Risiken aus alten Wettgeschäften sind längst nicht aus der Welt: Kämmerer Uwe Bonan hat nun alle noch laufenden Derivatgeschäfte mit der West LB offengelegt. Beide laufenden Wetten häufen zurzeit Verluste an. Ein sofortiger Ausstieg ist laut Bonan aber zu teuer. Er hofft noch auf die Wende – und da zuvorderst auf die Schweizer Nationalbank.

Lange hatte sich der Kämmerer aufs Geschäftsgeheimnis berufen, wenn ihm die Frage nach den Geschäften gestellt wurde, mit denen er seit seinem Amtsantritt im ­April 2006 versucht, das exorbitant hohe Risiko, das in Altgeschäften von Ex-Kämmerer Gerd Bultmann und der Leitung des städtischen Finanzmanagements steckte, zu minimieren. Klar durfte schon immer sein: Die West LB als Wettpartnerin würde es Mülheim nicht billig gemacht haben. Warum sollte sie auch ohne Weiteres von Wetten Abstand nehmen, die ihr gut 16 Mio Euro versprachen? Folge: Bonan musste verhandeln, neue Risiken eingehen, von denen er zumindest annahm, dass sie im schlechtesten Fall weniger Verlust bringen würden als besagte 16-Millionen-Papiere.

Zwei Wetten mit der West LB laufen noch. Zu einer hatte sich Bonan im November bekannt, nach Berichten, dass mehrere Städte Klagen gegen die West LB prüfen, weil diese ihnen Wetten auf den Schweizer Franken schmackhaft gemacht hatte. Die Eurokrise hat die Wetten für Städte zum riesigen Verlustgeschäft gemacht. Auch Mülheim ist eine solche Wette eingegangen, sie läuft bis zum 30. August 2015 – und aktuell sind aufgrund des starken Franken bereits 1,4 Mio Euro Verlust aufgelaufen. Da konnte selbst das Einschreiten der Schweizer Nationalbank, die eine Untergrenze für den Wechselkurs von 1,20 Schweizer Franken für einen Euro garantiert, nicht die Wende bringen. Auch bei diesem Wechselkurs bleibt die Wette für Mülheim verlustbringend.

Nun hofft der Kämmerer darauf, dass Meldungen wahr werden und die Schweizer Nationalbank im Kampf gegen die Rezession alsbald noch einmal den Franken schwächt. Es würde der Stadt ein geringeres Verlustrisiko bescheren, vielleicht gar die Wende. Auf einen vorzeitigen Ausstieg Mülheims zu günstigen Konditionen lasse sich die West LB nicht ein, so Bonan. Grund sei die Ankündigung der Stadt, eine Schadenersatzklage gegen die Bank in Sachen Währungswette zu prüfen.

Das zweite im Ausstiegsszenario noch laufende Derivatgeschäft ist eine Zinswette, die bis Oktober 2019 läuft. Dabei wettet die Stadt darauf, dass der Drei-Monats-Euribor (ein Interbankenzins) höher liegt als 4,2 %. Der Drei-Monats-Euribor ist aber bereits 2008 ist den Keller gerutscht. Aktuell taxiert er bei rund 1,48 %. Bei vierteljährlicher Abrechnung wären dies, würde aktuell abgerechnet, allein für die vergangenen drei Monate 68 000 Euro Verlust. Bislang, so Bonan, hätten sich bei dieser Zinswette eine halbe Million Euro Miese angehäuft. Die Stadt ist derzeit weit davon entfernt, dass sich die Wette zu ihre Gunsten dreht, und prüft deshalb Alternativen.

4,9 Mio Euro würden fällig, wenn die Stadt ad hoc aus ihren zwei bestehenden Wetten aussteigen würde. Das lohne nicht, so Bonan. Dies entspreche ungefähr dem Verlustrisiko bis Ende der Vertragslaufzeiten.

Bonan gibt sich weiter überzeugt, dass es gelingt, in der Bilanz der auslaufenden Derivatgeschäfte weniger Verlust zu machen als die 16 Mio Euro, die zu seinem Amtsantritt drohten. 6,083 Mio Euro waren es bereits Ende 2007, aktuell sind weitere 1,9 Mio Euro hinzugekommen. Und die West LB besitzt, wie berichtet, im Jahr 2016 die einseitige Option, eine weitere Zinswette in Gang zu setzen. Hier würde die Stadt auf einen Drei-Monats-Euribor von mehr als 4,98 % wetten – und das über die Dauer von zehn Jahren. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Interbankenzins nur zweimal kurz über diesen Wert bewegt . . .

Der Kämmerer betont, dass er zur Absicherung der unumgänglichen Wetten Kredite in Schweizer Franken aufgenommen habe, von denen die Stadt profitiere. Seit 2010 habe man mit ihnen aufgrund der guten Schweizer Kreditbedingungen eine Zinsersparnis von rund 400 000 Euro und einen Währungsgewinn von 1,5 Mio Euro erzielt. Aktuell hält die Stadt Kredite über 50 Mio Euro in Franken und profitiert weiter von Zinsgewinnen.

Wenn die Schweizer Nationalbank den Wert des Franken nun weiter schwächt, könnte das Auflösen der bestehenden Kredite lohnen. Bei einem Wechselkurs von 1,35 Schweizer Franken pro Euro etwa, so Bonan im Finanzausschuss, würde die Stadt einen Währungsgewinn von 3,2 Mio Euro machen und auch bei der Währungswette (siehe Haupttext) 2 Mio Euro weniger zahlen. Bonan: „Wo Risiken sind, da bestehen auch Chancen.“