Mülheim.

Rund 30 Moderlieschen – kleine, sechs bis neun Zentimeter lange heimische Fischchen – sind seit kurzem als neue Mitarbeiter beim Wasserversorger RWW beschäftigt. Eine Hälfte im Styrumer, die andere Hälfte im Essen-Kettwiger Wasserwerk. Ihre Aufgabe ist es, die Wasserqualität zu prüfen.

Das machen sie ganz natürlich und nebenbei, denn sie schwimmen ein Jahr ihres Lebens in einem Kasten namens „Tox Protect 64“, wo sie rund um die Uhr mit Hilfe von Lichtschranken überwacht werden. Jede ihrer Bewegungen wird präzise aufgezeichnet, gemessen und in die Leitzentrale übertragen. Wenn sie sich – außerhalb der Fütterungszeiten – ungewöhnlich oder hektisch verhalten, lösen sie sofort Alarm aus, der zu Prüfmaßnahmen bis hin zur Abschaltung des Wasserwerks führen kann.

„Natürlich vertrauen wir auch weiterhin auf unsere erprobten Analysemethoden“, erklärt der Leiter der Qualität, Dr. Mathias Schöpel. Aber das Biomonitoring sei eine gute Ergänzung zum herkömmlichen System, ein neues Instrument, was zeitnah reagiere.

Fische reagieren sensibel auf Verunreinigungen

„Die Fische sind Teil unseres Risikomanagements, sozusagen eine zusätzliche Sicherheitsstufe“, erklärt Dr. Schöpel. Das Ruhrwasserwerk entnehme sein Wasser dem Fluss, da gebe es schon „eine Handvoll Alarme pro Jahr“, so Holger Onnebrink, Fischexperte und Biologe am Haus Ruhrnatur. Die Rohwasserqualität berge ein gewisses Risiko, deswegen sei der Biomonitor zusätzlich zur chemischen Überwachung sehr willkommen.

„Wenn es irgendwelche Wasserqualitätsprobleme oder Veränderungen gibt, reagieren die sensiblen Fische sofort darauf“, so Onnebrink. Die Moderlieschen hätten eine ­gewisse Aktivitätsbandbreite, schwämmen mal nach oben, mal nach unten, in gleichmäßigen Geschwindigkeiten. Wenn die Parameter über oder unter der Norm lägen, werde Alarm ausgelöst.

Die zur Familie der Karpfenfische gehörenden Fische schwämmen in „Rohwasser“, wie es in Styrum dem Fluss entnommen werde, also vor dem mehrstufigen Aufbereitungsprozess.

Nur wenige Wasserwerke arbeiten mit Fischen als Bioindikatoren

„Nur ganz wenige der 6700 Wasserversorger in Deutschland arbeiten mit Fischen als Bioindikatoren“, erklärt RWW-Sprecher Ramon Steggink. Es sei ein personalintensives aufwändiges System, benötige Sachverstand und müsse täglich gepflegt werden.

Nach einem Jahr werden die Fischchen in den Ruhestand geschickt und in einem zum RWW gehörenden Teich ausgesetzt. Und wenn sie nicht vom Reiher gefressen werden, können sie dort noch rund zwei Jahre leben.

Tierische Bioindikatoren sind in der Menschheitsgeschichte immer wieder genutzt worden, wie die Gänse als Frühwarnsystem im alten Rom oder Kanarienvögel als Grubengas-Warner unter Tage.