Mülheim. In Mülheim gibt es keine Kläranlage, wie in Warstein und dennoch darf auch hier das Hygiene- und Gesundheitsrisiko der Legionellen auf keinen Fall unterschätzt werden: Was wird getan?
Der Pressesprecher des Ruhrverbandes, Markus Rüdel, hat in diesen Tagen viel zu tun. Die Anfrage der Mülheimer NRZ ist nur eine von vielen, die er jetzt zum Thema Legionellen beantworten muss. „Wir sind noch mitten in der Ursachenforschung“, sagt Rüdel mit Blick auf den Legionellenbefall der Warsteiner Kläranlage. Sie wird ebenso vom Ruhrverband betrieben, wie die Kläranlage in Duisburg-Kaßlerfeld, in der auch Mülheims Abwässer mit Hilfe kleiner, Dreck fressender Bakterien, gereinigt werden.
Sekündlich werden dort bei 17 bis 18 Grad Raumtemperatur 2300 Liter Abwasser greinigt.
Worin liegt der Unterschied zwischen der für Mülheim zuständigen Kläranlage und der in Warstein? Anders sei, so erklärt Rüdel, dass der für die Dreck fressenden Bakterien lebenswichtige Sauerstoff nicht über eine Oberflächenbelüftung, sondern mit einem Druckluftverfahren direkt von unten in ihr sogenanntes Belebungsbecken zugeführt werde. Deshalb werden dort keine wassernebelähnlichen Aerosole freigesetzt, mit deren Hilfe Legionellen eingeatmet werden und so in der menschlichen Lunge ihr Unheil anrichten können. Die Legionellen können die sogenannte Legionärskrankheit auslösen, die meistens mit einer Lungenentzündung einhergeht und in besonders schlimmen Fällen tödlich enden kann. „Für die Rheinisch Westfälische Wasserwerksgesellschaft und ihre Wasserwerke sind Legionellen kein Thema, weil bei uns das Wasser bei zehn Grad herausgeht und wir es immer nur in den Keller liefern“, sagt RWW-Sprecher Ramon Steggink.
Wassertemperatur unter 25 oder über 60 Grad halten
Problematisch, das bestätigt auch der für den Infektionsschutz zuständige stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes, Dieter Weber, kann es aber in Haus- und Gebäudeleitungen werden, wenn das kalte Trinkwasser mit Hilfe einer Warmwassererzeugungs- und verteilungsanlage auf über 25 Grad erhitzt wird und anschließend durch den Wasser- oder Duschhahn fließt. Denn dann bilden sich wieder jene Aerosole, mit denen Legionellen eingeatmet werden können. Der beste Schutz gegen die Bildung von Legionellen, die sich in einem 25- bis 60 Grad warmen Wasser am wohlsten fühlen, ist, laut Weber, dass die Wassertemperatur im entsprechenden Tank der Warmwasser-Erzeugungs- und verteilungsanlage immer unter 25 oder über 60 Grad gehalten wird. Gleichzeitig müssen Thermoventile dafür sorgen, dass man sich beim Duschen nicht verbrüht.
Obwohl die durch Legionellen verursachte Legionärskrankheit bereits seit 2001 meldepflichtig ist, müssen solche Warmwasseranlagen erst seit 2011 regelmäßig auf Legionellenbefall untersucht werden. In privaten Gebäuden muss diese durch Fachinsititute für Wasserhygiene, wie die in Stadtmitte ansässige Lehr- und Versuchsgesellschaft für innovative Hygienetechnik (LVHT) oder das Styrumer Wasserforschungsinstitut IWW, alle drei Jahre und in öffentlichen Gebäuden jedes Jahr kontrolliert werden.
Weber, der sich zusammen mit vier Kollegen beim Gesundheitsamt um die entsprechende Hygieneaufsicht kümmert, schätzt, dass pro Jahr in zwei bis drei öffentlichen und in 25 privaten Wassererwärmungs- und Verteilungsanlagen ein Legionellenbefall festgestellt wird. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei 100 koloniebildenenden Legionelleneinheiten in 100 Millilitern Wasser. Ab diesem Wert hilft nur das Durchspülen der befallenen Anlage mit deutlich über 70 Grad heißem Wasser. Im St. Marien-Hospital, so bestätigt die dortige Hygienebeauftrage Benvinda Urban, wird so eine thermische Desinfektion vorbeugend einmal pro Woche durchgeführt.
Öffentliche Gebäude werden streng überprüft
Anders als private Gebäude, werden öffentliche Gebäude, wie Hotels, Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Sportanlagen oder Schwimmbäder mit ihren Wasser- und Duschanlagen besonders streng überprüft. „Die Krankenhäuser sind aufgrund ihrer modernen Technik eigentlich immer im grünen Bereich, aber Sportanlagen mit älterer Wassertechnik sind öfter betroffen“, weiß Weber zu berichten.
Als besonders problematisch sieht es der wissenschaftliche Leiter der LVHT, Markus Funcke, an, dass Warmwasserspeicher erst ab einem Fassungsvermögen von 400 Litern auf Legionellenbefall hin überprüft werden müssen und das Ein- und Zweifamilienhäuser von der Legionellenprüfungspflicht ausgenommen sind. Ein besonders hohes Risiko sieht er auch dann, wenn Wasser nicht fließt, sondern über längere Zeit in entsprechenden Wärmespeichern steht.
Amtsarzt Weber rät Mietern, sich im Zweifel von ihrem Vermieter über Prüfungsergebnisse in Legionellen informieren zu lassen, da das Gesundheitsamt nicht kontrolliert, ob die im Drei-Jahres-Rhythmus vorgeschriebene Legionellenprüfung auch wirklich durchgeführt worden ist.