Mülheim-Heißen.

Jede Straße braucht einen Namen, und da so ein Straßenname für lange Jahre Bestand hat, will er wohl überlegt sein. Wie also soll sie heißen, die neue Abzweigung der Honigsberger Straße, die das Neubaugebiet Honigsberger Straße/Fünter Weg anbindet? Darüber machten sich die Mitglieder der Bezirksvertretung (BV) 1 in ihrer Sitzung am Montag Gedanken. Drei Vorschläge standen zur Debatte – am Ende fanden die Ortspolitiker eine salomonische Lösung.

„Martha-Hadinsky-Straße“ lautete die erste Idee, die vor allem den Linken gefiel. Zur Auswahl stand auch „Ruth-Wendland-Weg“, eine Variante, die den Grünen behagte. Zudem die historische Bezeichnung „Am Bokenbeck“, die Anhänger fand bei CDU, SPD und MBI. Dieser Vorschlag machte schließlich das Rennen.

Doch auch an Martha Hadinsky und Ruth Wendland, zwei couragierten Antifaschistinnen, werden möglicherweise bald Wege erinnern. Die BV beauftragte die Verwaltung mit der Überprüfung eines Vorschlags von Peter Pickert (SPD). Demnach soll die Treppenanlage zwischen Tinkrathstraße und Rumbachtal nach Martha Hadinsky benannt werden. Zudem könnte eine später noch zu errichtende Stichstraße zum Gebiet Honigsberger Straße/Fünter Weg an Ruth Wendland erinnern: eine Idee, die Matthias Lincke, Leiter des Amtes für Geodatenmanagement, Vermessung und Kataster, ins Spiel brachte. „So hätten wir alle drei Vorschläge untergebracht.“

Im Rumbachtal zu Hause

Wer genau aber waren die zwei Frauen? Martha Hadinsky (1911-1963) stammte aus Mülheim und lebte im Rumbachtal. Ab 1931 gehörte sie dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands an, heißt es in den Unterlagen der Bezirksvertreter. In ihrem politischen Engagement ließ sie auch nicht nach, als der Verband von den Nazis verboten wurde. Wegen „Bildung einer antifaschistischen Jugendgruppe“ saß die Einzelhandelskauffrau von Januar 1936 bis März 1937 in U-Haft, und – nach einem Gerichtsurteil – wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ weitere sechs Jahre im Zuchthaus.

Nach dem Krieg erhielt Hadinsky Haftentschädigung als politisch Verfolgte sowie eine Beschädigtenrente wegen der in der Haft erlittenen gesundheitlichen Schäden. Weil sie sich für die verbotene KPD einsetzte, wurde ihr diese Rente jedoch wieder aberkannt und zudem wurde sie wegen „Geheimbündelei“ zu weiteren 14 Monaten Haft verurteilt. Im April ‘63 fand man sie tot in ihrer Wohnung auf. Hadinsky ist in Mülheim übrigens schon einmal verewigt: 2009 wurde das Sitzungszimmer der Mülheimer Verdi-Geschäftsstelle nach ihr benannt. Damals sagte Dieter Schäfer, hiesiger Verdi-Bezirksvorsitzender: „Mehr Menschen müssen gegen jegliche Art von Rechtsradikalismus aufstehen.”

Unter Einsatz des Lebens die Geschwister aufgenommen

So wie auch Ruth Wendland (1913 bis 1977), die ab 1964 die erste weibliche Pastorin der Altstadtgemeinde in Mülheim war – und in den NS-Jahren eine engagierte Widerstandskämpferin. Ihr Mut während des Zweiten Weltkriegs fand 1975 Beachtung von höchster Stelle in Israel: Ruth Wendland und Mutter Agnes (1891-1946) wurden von der Holo­caust-Gedenkstätte Yad Vashem mit einem Baum in der „Allee der Gerechten“ geehrt.

Unter Einsatz ihres Lebens hatten Mutter und Tochter, die damals in Berlin lebten, die jüdischen Geschwister Ralph und Rita Neumann aufgenommen. Um ihren Vater, einem Pfarrer, nicht zu gefähr­den, verheimlichte Ruth Wendland ihm die wahre Identität der „Gäste“. Als Mutter Agnes versuchte, Ralph Neumann, der im Februar 1945 in Ge­stapohaft kam, frei zu kämpfen, wurde sie verhaftet. Sie erkrankte im Arbeitslager, Tochter Ruth ließ sich daraufhin an ihrer Stelle inhaftieren. Zum Glück nur kurz – der Krieg war bald vorbei.