Mülheim. .

Wo Yundi, Pianist aus der chinesischen Flinkfingerschule, sich die Ehre des Auftritts gibt, sind die Fans aus fernöstlichen Landen nicht weit. Sie pilgern in Gruppenstärke zu seinen Konzerten, stehen Schlange für ein Autogramm, kaufen die CDs des Künstlers auf. Wie jetzt in der Stadthalle: Yundi als Popstar, als erster und einziger Chinese, der den Warschauer Chopin-Preis gewinnen konnte, als Deuter dreier so berühmter wie beliebter Klaviersonaten Ludwig van Beethovens. Eines Komponisten, dessen Name und Musik bei vielen Asiaten eine Mischung aus Begeisterung, Bewunderung, ja großer Ehrfurcht auslöst. Mehr Anreiz geht kaum.

Spielt nicht frei

Volles Haus also bei diesem Konzert des Klavier-Festivals Ruhr. Mit einem Pianisten, dessen Respekt vor dem Feuerkopf Beethoven, vor der so wütenden wie empfindsamen Musik, übermächtig sein muss. Warum sonst sollte der Chinese seinem virtuosen Können nicht recht trauen, sich in mancher Figuration unsicher verheddern, Sangliches allzu brav aufklingen lassen. Es scheint, als schlage des Pianisten Ehrfurcht bisweilen in Furcht um. Er spielt nicht frei, will dann mit Gewalt den Knoten zum Platzen bringen. Ja, Yundi hat es schwer mit Beethoven.

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Nehmen wir nur die „Appassionata“: Da werden drohende Bassakkorde teils mit übertriebener Vehemenz ins Instrument gestanzt, werden Legato-Linien plötzlich porös, und virtuoses Losstürmen hat nahezu sportiven Charakter. Kein Wunder, dass Yundi gelegentlich aus der Kurve fliegt. Wie im schnellen Satz der „Mondscheinsonate“: Es erklingt ein Bravourstück, wirkmächtig zwar, aber kaum im Dienste von Beethovens heiligem Furor. Hier erlaubt sich der Solist zudem die große Geste, eine Art körperliches Triumphieren.

Von Tragik umrankt

Yundi kann anders. Wenn er zur souveränen Kontrolle der Materie findet. Wenn er im „Grave“ der „Pathétique“-Sonate plötzlich durch weit atmende Generalpausen wunderbar Spannung erzeugt, oder ihm im berühmten Mondscheinsonatenthema ruhevolles Gleiten gelingt. So wie er in zwei Chopin-Nocturnes Melancholie zumindest durchschimmern lässt. Doch die Akkuratesse des Pianisten, auch hier Ausdruck von Unfreiheit, zerrt diese Nachtstücke allzu sehr aus ihrer Traumverlorenheit ans Licht.

Yundi, so scheint’s, steht sich selbst im Wege. Er ringt mit der Musik, verkrampft sich im Virtuosen. Ihn ehrt, dass er es vermeidet, mit Manierismen und Marotten manches zu überspielen. Und doch ist sein Können von Tragik umrankt.

Info

Das Klavier Festival Ruhr läuft noch bis zum 19. Juli. Der nächste Auftritt in Mülheim findet am Donnerstag, 27. Juni, in der Stadthalle statt: Paul Lewis präsentiert „Die großen Klavierschulen der Gegenwart: Der Mentor Alfred Brendel“, ab 20 Uhr.

Karten kosten zwischen 15 und 45 Euro. Info: www.klavierfestival.de