Mülheim. .
Bei der öffentlichen Mitgliederversammlung der SPD zur Neuausrichtung des Nahverkehrs in Raadt, Holthausen und Menden platzte das große Vereinsheim des SV Raadt am Donnerstagabend aus allen Nähten. Der Seismograph, mit dem die SPD in der ÖPNV-Debatte die Stimmung in den Ortsteilen messen will, hatte fast zwei Stunden zu tun. In Raadt, insbesondere auch in Holthausen ist dabei mit weniger Widerstand zu rechnen als in Menden.
ÖPNV-Anbindung im Schwebezustand
Aus Holthausen waren kaum Bürger gekommen, anscheinend fühlen sie sich durch die Gutachter-Vorstellungen zum neuen Bahn- und Busliniennetz nicht sonderlich berührt. Für Raadt sieht die Sache anders aus. Seit der Flughafen-Ast der Straßenbahn 104 im April 2012 wegen Sicherheitsmängeln nicht mehr befahren wird, befindet sich die ÖPNV-Anbindung des Stadtteils im Schwebezustand.
Zurzeit pendelt ein Bus zwischen Flughafen und Hauptfriedhof als Straßenbahn-Ersatz. Offen ist weiter, wie der Streit um die dauerhafte Stilllegung der Bahnstrecke zwischen Stadt sowie Bezirksregierung und Regionalverband ausgeht. Letztere sperren sich gegen das Aus für die Straßenbahn.
Ärger über die Stadt
Mehrere Bürger äußerten diesbezüglich am Donnerstag ihren Ärger über die Stadt. Nicht nachvollziehen können sie, dass in den vergangenen Jahren noch Geld für Gleisbau und andere Reparaturen ausgegeben worden ist, diese Investitionen nun aber ad absurdum geführt seien. Birgit Adler von der Geschäftsführung im Via-Verbund der Nahverkehrsunternehmen von Essen, Duisburg und Mülheim entgegnete, die MVG habe nur das Nötigste getan, um die Strecke entsprechend ihrer Betriebspflicht instand zu halten. Weitergehende Mittel habe der Aufsichtsrat, in dem auch Vertreter von Stadt und Politik sitzen, nicht gewährt.
Die Stadt will künftig die Anbindung von Raadt durch eine neue Buslinie gewährleisten. Sie soll am Oppspring, um den dortigen Straßenbahnen keine Konkurrenz zu machen, in die Holthauser Höfe abknicken und über das Rumbachtal (Anschluss Hölterschule) zum Hauptbahnhof und danach auf heutigem Weg der wegfallenden Straßenbahn 110 gen Styrum rollen. Verkehrsplaner Roland Jansen verriet am Donnerstag, dass die MVG derzeit mit der Essener Evag darüber spricht, diese Buslinie über den Flughafen hinaus fahren zu lassen, etwa nach Haarzopf oder gar bis zum Rhein-Ruhr-Zentrum. Der 20-Minuten-Takt für die Anbindung von Raadt soll dabei bleiben.
Keine Direktverbindung mehr mit der Innenstadt
Die Bürger aus Raadt, so die überwiegende Resonanz, könnten damit wohl leben. Wenn denn die MVG die Umstiegsbeziehungen besser als heute organisiert bekommen .
Der Plan, die Buslinie 151 künftig nicht mehr zwischen Innenstadt, Menden und Kettwig verkehren zu lassen, stößt bei etlichen betroffenen Bürgern auf Ablehnung. Bei der öffentlichen SPD-Mitgliederversammlung am Donnerstag im Vereinsheim des SV Raadt machten viele ihrem Ärger Luft.
Keine Direktverbindung mehr mit der Innenstadt, dafür eine Buslinie über den Steinknappen, Oppspring und B1 gen Saarn, Selbeck und Ratingen – das ist nicht das, was sich die Mendener vorstellen. Um in die Innenstadt zu kommen, zum Einkauf, zu Behörden und Ärzten, müssten sie nach jetzigem Stand der Debatte spätestens am Oppspring auf eine Straßenbahn umsteigen. Eine Zumutung sei das, finden gerade ältere Mendener mit Verweis auf die mangelnde Barrierefreiheit dort. Verkehrsplaner Roland Jansen versprach den Kritikern, die Haltestellen an künftigen Umstiegspunkten vorrangig barrierefrei umzubauen.
Umständlich und zeitraubend
In Menden klagen auch Eltern schulpflichtiger Kinder. Die überwiegende Zahl der Kinder besuche die Grundschule an der Trooststraße, an der Buslinie 151 gelegen, hieß es. „Mit fünf Jahren am Oppspring auf die Straßenbahn umsteigen – halten Sie das für zumutbar?“, fragte eine Mendenerin angeknirscht in Richtung Verkehrsplaner. Ohnehin sei der 753-er, kommt er morgens aus Saarn, „pickepackevoll. Da kommen die Kinder gar nicht mehr rein in den Bus.“
Die ganze Führung der 753 ist den Mendenern ein Graus. Nicht nur umständlicher sei der Weg in die City, auch zeitraubend. „Dann kann ich ja gleich das Fahrrad nehmen. Da bin ich schneller“, klagte ein agiler Senior über das Aus für die Kahlenberg-Route.
Wegfall der Linie 151 sei „ eine Katastrophe"
Auch dort und rund um den Scharpenberg sind Bürger enttäuscht. Am Freitag ergriff Sportlehrer Felix Schwechten vom Karl-Ziegler-Gymnasium Partei für den Schülerruderverein, eine Institution seit 1898, die zwingend angewiesen sei auf den Bus die Ruhr entlang; dessen Bootshaus befindet sich an der 151-er-Haltestelle „Weißer Turm“. Jeden Wochentag, so Schwechten, trainierten dort Schüler.
Der Wegfall der Linie 151 sei „für uns eine Katastrophe. Die Kinder kommen dann dort nicht mehr an und nicht mehr weg. Gar rund 1030 Protest-Unterschriften hat der Verein gesammelt. Kritik gibt es auch aus den Senioreneinrichtungen Haus Ruhrgarten und Haus Scharpenberg samt Ev. Familienbildungsstätte.
SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering sicherte zu, die vorgetragene Kritik mit in die Fraktionsberatungen zu nehmen. Ortsvereinsvorsitzender Rolf Biermann brachte am Ende seine Idee an, nach Styrumer Vorbild eventuell über einen Bürgerbus nachzudenken.