Mülheim. .
Am Ende der mehr als dreistündigen Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses zur strategischen Weichenstellung in der Nahverkehrsplanung stand gestern nur eines fest: Außer der FDP will keine weitere Ratsfraktion einen radikalen Abbau von Straßenbahn-Infrastruktur. Einen Strategiebeschluss dazu gab es nicht, aber doch unmissverständliche Wortbeiträge. SPD und CDU sind sich einig in der groben Strategie.
Fördermittel-Streit befriedet
So äußerten beide Fraktionen Zustimmung zu einer im kurzen Vorlauf der Sitzung leicht abgeänderten Empfehlung des beauftragten Gutachterbüros „StadtVerkehr“ aus Hilden (wir berichteten). Demnach soll die Detailplanung für den neuen Nahverkehrsplan nun auf Basis eines fest umrissenen künftigen Straßenbahnnetzes erfolgen, das wie folgt gestrickt ist: Der Flughafen-Ast der 104 (ab Hauptfriedhof) soll – wenn genehmigungsfähig – entfallen, ebenso die Linie 110 (Friesenstraße/Styrum bis Hauptfriedhof).
Im Gegenzug soll die Linie 112 von Oberhausen kommend über den Kaiserplatz hinaus zum Hauptfriedhof rollen, die 104 von Winkhausen kommend ab Stadtmitte den Weg der 110 über die Wertgasse nehmen – vielleicht aber nicht, wie es die Gutachter in einem ersten Entwurf vorgeschlagen haben, bis zum Hauptfriedhof, sondern nur bis zum Oppspring. Das soll noch geprüft werden.
Die Führung der 104 bis mindestens zum Oppspring würde der Stadt die angedrohte Rückforderung von NRW-Fördermitteln in Höhe von knapp 16,2 Mio. Euro ersparen, versicherte gestern der Verkehrsdezernent der Bezirksregierung, Matthias Vollstedt. Das Fördergeld hängt noch am Beschleunigungsprojekt der 110 zwischen Friedrich-Wilhelms-Hütte und Oppspring. So ist die Stadt nun offensichtlich eingeknickt in ihrem ursprünglichen Bestreben, den Straßenbahnbetrieb auch auf dem südlichen Ast der heutigen 110 (künftig 104) aufzugeben.
Gutachten war wohl zu optimistisch
Einräumen musste die Verwaltung gestern, dass kostspielige Gutachten aus der Vergangenheit in dieser Frage von einer allzu „optimistischen Schätzung“ (Dezernent Peter Vermeulen) ausgegangen waren. Auch das neue Gutachten, das im ÖPNV-Betrieb ein strukturelles Einsparpotenzial von jährlich mindestens 4,7 Mio. sieht, muss offenbar noch ein nicht unwesentliches Momentum aufnehmen: An den barrierefreien Umbau der Straßenbahn-Haltestelle Styrum Bahnhof sind noch 2,7 Mio. Euro Fördermittel gebunden. Bei Stilllegung der Linie 110 könnte der VRR als Organ der Fördermittel-Verwaltung eine Rückzahlung fordern.
Auf Basis des skizzierten Straßenbahnnetzes gehen die Gutachter nun in die Detailplanung für den Busverkehr. Vorgabe dabei: Busse sollen nur noch als Zubringer zu (barrierefreien) zentralen Umsteigepunkten zur Straßenbahn dienen. Das soll die Bahnen stärken.