Mülheim..
Weniger Schilder und Ampeln führen zu mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr. So lautet zumindest der Grundgedanke, der hinter dem Projekt „Simply City“ steckt, das frei übersetzt so viel wie „Vereinfache die Stadt“ bedeutet. Nach drei Jahren Entrümpelung im Straßenverkehr ist das NRW-Modellprojekt nun abgeschlossen. Ob und wie es weitergeführt werden soll, hängt davon ab, wie die Mülheimer die neuen Verkehrssituationen annehmen.
Gong ist schlecht zu hören
An der Leineweberstraße wurde bereits im Oktober die Ampel an der Ecke Kohlenkamp entfernt. Nun können Fußgänger an jeder Stelle die Straße queren, auch Autofahrer bremst keine Ampel mehr aus – sie halten nur noch an, wenn Fußgänger die Kreuzung passieren. Nebenbei soll das den Rückstau entzerren.
Um die Stelle trotzdem sicher zu machen, wurde das Tempo von 30 auf 20 gedrosselt, das Pflaster rot eingefärbt und eine Erhebung gebaut. An dieser Ecke wagt die Stadt auch ein Experiment: Eine LED-Lichtleiste im Boden sowie ein akustisches Signal sollen vor der herannahenden Straßenbahn warnen. Biegt die Bahn am Kaiserplatz um die Ecke, blinkt’s an der Leinweber auf dem Boden. Dazu ertönt aus einer Box, die an einem Mast befestigt ist, ein Gong. Doch: Das Rattern der Bahn tönt lauter als das Warnsignal. Vor allem ältere Fußgänger könnten Probleme bekommen, das Bimmeln überhaupt wahrzunehmen.
„Die richtige Lautstärke zu finden ist eine Gratwanderung“, erklärt Jürgen Köchling, Leiter des Regionalzentrums Ruhr der RWE Deutschland AG. Der Energieversorger sponserte die Anlage, investierte dafür einen „mittleren fünfstelligen Betrag“. Zum Vergleich: Der Erhalt der Ampelanlage hätte die Stadt ca. 4000 € im Jahr gekostet.
Simply City abgeschlossen
Messungen hatten ergeben, dass nur 30 % der Fußgänger die Straße am Ampelübergang querten – der Rest huschte an anderen Stellen herüber. Bürgerbefragungen ergaben zudem den Wunsch, die Straße zu entschleunigen.
Mit dem Einbau des Leuchtstreifens ist Simply City nun abgeschlossen. An drei Standorten in der Stadt wurde Beschilderung zurückgebaut. In Heißen, Dümpten und Stadtmitte. „Allein hier haben wir 50 Prozent der Beschilderung abgebaut“, resümiert Klaus-Dieter Kerlisch, Leiter des Amtes für Verkehrswesen und Tiefbau. Wenn die Anlage an der Leineweberstraße gut angenommen werde, soll der Simply-City-Gedanke weiter in die Stadt getragen werden. Einen Ort hat Kerlisch bereits im Auge: „Den Überweg am Ende der Schloßstraße zum ehemaligen Kaufhof.“
Mit der Aktion Schilderwald fiel Ende 2009 der Startschuss zu Simply City. Das Ziel: Das Leben und die Mobilität in der Stadt durch Reduktion leichter, gesünder, lebens- und preiswerter zu machen. Ursprünglich hatte die Kommission, u.a. aus Vertretern der Stadtverwaltung, ADAC und Polizei, der Politik 15 von insgesamt 200 Ampel-Standorten für einen Rückbau vorgeschlagen. Fünf wurden am Ende beschlossen.