Mülheim. .
Erlittene sexuelle Gewalt lässt die Opfer oft verstummen. Manche brauchen Jahre, bis sie eine Tat öffentlich machen, endlich den Mut gefasst haben, einen Täter bei der Polizei anzuzeigen. Spuren, die dann vor Gericht als Beweis dienen könnten, gibt es dann möglicherweise gar nicht mehr. Der „Runde Tisch gegen häusliche Gewalt“, der sich unter der Leitung der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Antje Buck mehrmals im Jahr zusammensetzt, ließ sich jetzt über die Möglichkeit der „anonymen Spurensicherung nach Sexualstraftaten“ informieren.
Untersuchung ohne Ermittlung
Es geht darum, dass sich beispielsweise ein Opfer einer Vergewaltigung medizinisch untersuchen lassen kann, ohne dass ein polizeiliches Ermittlungsverfahren unmittelbar folgen muss, wenn das Opfer es nicht möchte. Der Arzt oder die Ärztin, der oder die die Frau im Krankenhaus untersucht, nimmt dabei auch eine DNA-Probe. Diese Spuren werden anonymisiert bei der Gerichtsmedizin bis zu zehn Jahre gelagert. Parallel dazu werden andere Untersuchungsbefunde, wie zum Beispiel zu Körperverletzungen, im Krankenhaus aufbewahrt.
Die Männer und Frauen des „Runden Tisches gegen häusliche Gewalt“ ließen sich von der Bochumer Rechtsanwältin Manuela Lück über die Praxis dieses Verfahrens aufklären. In Bochum werden die Spuren einer Sexualstraftat schon seit fünf Jahren anonym dokumentiert und gesichert. Auch Herne macht das, und Mülheim könnte die dritte Stadt im Ruhrgebiet werden.
Anonymität gibt Sicherheit
Rechtsanwältin Manuela Lück klärte unter anderem darüber auf, dass Ärzte eine sexuelle Gewalttat nicht öffentlich machen müssen. Nur die Polizei stehe unter Ermittlungszwang. „Die anonyme Spurensicherung soll den Opfern die Sicherheit geben, dass die Spuren bis zu zehn Jahre nach der Tat in der Gerichtsmedizin verwahrt werden“, erklärte Rechtsanwältin Manuela Lück. „Die Frau kann sicher sein, dass sie anonym bleibt. Und sie kann dann Anzeige erstatten, wenn sie nicht mehr unter Druck steht.“ Etwa dann, wenn eine missbrauchte Jugendliche erwachsen geworden ist.
Alexander Stock, Mülheimer und gleichstellungspolitischer Referent der SPD-Landtagsfraktion, trug die Idee an Antje Buck heran. Die Idee fand Zustimmung bei den Männern und Frauen am Runden Tisch gegen häusliche Gewalt, so dass nun der Weg in die politischen Gremien offen ist, wo letztlich die Entscheidung getroffen werden muss, wer sich für die anonyme Spurensicherung verantwortlich zeichnet.
"Hohe Dunkelziffer muss aufgebrochen werden"
Das erste Gremium wird der Gleichstellungsausschuss am 16. November sein. „Wir fangen unverzüglich an, diese Möglichkeit für Mülheimer Frauen zu schaffen“, so Antje Buck. Die hohe Dunkelziffer bei Sexualstraftaten müsse aufgebrochen werden, betonen Antje Buck und Manuela Lück.
Die Mülheimer Frauenklinik war durch einen Arzt am „Runden Tisch“ vertreten. Denn sollte die anonyme Spurensicherung Praxis in Mülheim werden, wird eine Partnerklinik gebraucht, in der die Frauen untersucht werden.
Ein „bedarfsgerechtes Angebot zur anonymen Spurensicherung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt“ zu schaffen, wurde zudem im Koalitionsvertrag der amtierenden NRW-Regierung festgeschrieben.