Mülheim. “Mein Mann schlägt mich – was soll ich tun?“ Häusliche Gewalt betrifft alle Altersklassen und sozialen Schichten. Der runde Tisch gegen häusliche Gewalt in Mülheim unterstützt misshandelte Frauen. Jetzt hat er ein Faltblatt mit Adressen für den Notfall aufgelegt.

Sie war einmal die Liebe seines Lebens. Nun ist sie übersät mit blauen Flecken. „Sie“ ist meistens anonym. Und still. Denn über Schläge und Misshandlungen in den eigenen Wänden spricht man nicht. Obwohl es jeden Tag geschieht, in Saarn genauso wie in Styrum. Doch langsam tut sich was in Mülheim: „Die Zahl der Frauen, die sich melden, steigt stetig an.“ Das verkündet der „Runde Tisch gegen häusliche Gewalt“.

„Mülheim, diese kleine und schöne Stadt, da gibt es keine häusliche Gewalt!“ Während sie die Worte ausspricht, bildet sich eine ärgerliche Falte auf der Stirn von Ulla Höhne. „Dieses Bild bestand lange in den Köpfen“, sagt die Frauen-Beraterin von Donum Vitae. Sie weiß es besser. Beinahe täglich klingelt ihr Telefon in der Beratungsstelle Mülheim. Am Dienstag zum Beispiel: „Mein Mann schlägt mich seit längerer Zeit – ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, flüsterte eine tränenerstickte Frauenstimme aus einer Wohnung irgendwo im Stadtgebiet in den Hörer.

Kein Einzelfall

Das ist längst kein Einzelfall: „In Mülheim haben wir etwa 150 bis 200 Fälle von häuslicher Gewalt im Jahr“, schätzt Antje Buck aus der Gleichstellungsstelle im technischen Rathaus. Sie hat den Runden Tisch vor zehn Jahren initiiert; mittlerweile gehören ihm rund 30 Organisationen und Institutionen an – von Beratungsstellen und Frauenhaus über Polizei und Sozialamt bis hin zu Rechtsanwälten. „Die 200 Fälle“, schränkt Antje Buck ein, „sind nur diejenigen, die sich bei der Polizei melden.“ In 92 Prozent seien Frauen Opfer und Männer Täter. Wobei das mit der Statistik so eine Sache sei: „Es gibt keinen Straftatbestand häusliche Gewalt – leider.“ Und die Dunkelziffer – davon sei auszugehen – „ist viel höher“.

Denn die Hemmschwelle sei riesig, auch wenn sie in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken sei: „Häusliche Gewalt ist noch immer ein Thema, über das man ungerne spricht“, weiß Nora Thurow von der Frauenberatungsstelle Mülheim. Dabei betreffe es alle Altersklassen – „von 15 bis 80“ – und alle sozialen Schichten – „mit und ohne Migrationshintergrund“. Oft redeten Betroffene zuerst von „Konflikten“, erst im Verlauf des Gesprächs komme dann die Misshandlung ans Licht. Gründe dafür kennen die Mitglieder des Runden Tisches zu genüge: „Viele Frauen suchen die Schuld bei sich selbst“, weiß etwa Jutta Michele vom Weißen Ring; „Männer und Familie bagatellisieren das Thema“, ergänzt Yansa Schlitzer von der AWO.; Dazu komme die große Angst: Wie geht es weiter?

Kraft und Mut

Der Schritt aus der Anonymität erfordere Kraft und Mut: „Es bedeutet ja auch Abschied nehmen von einem Ideal“, weiß Beraterin Ulla Höhne. „Man muss sich ja nicht nur von dem schlagenden Mann verabschieden, sondern auch von dem einstmals liebevollen.“ Zudem, so hat der Runde Tisch festgestellt, wissen viele Opfer nicht, was (juristisch) möglich ist: Vom Hausverweis des Täters durch die Polizei – in Mülheim mehr als 55 Mal im vergangenen Jahr ausgesprochen – bis hin zum Einzug in ein Frauenhaus. Auch im Stadtgebiet gibt es eins – „das ist immer voll bis unters Dach“, verdeutlicht Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck das Problemthema häusliche Gewalt.

Der Runde Tisch will schnell und unbürokratisch helfen. Zur besseren Orientierung hat er ein Faltblatt aufgelegt, das Betroffenen alle wichtigen Ansprechpartner für den Notfall nennt. Die Broschüre liegt ab sofort in allen Beratungsstellen, öffentlichen Einrichtungen der Stadt sowie in Krankenhäusern und einigen Arztpraxen aus. „Denn je besser die Aufklärung und je stärker die öffentliche Wahrnehmung“, weiß Nora Thurow, „desto mehr Frauen melden sich in den Beratungsstellen.“