Mülheim. .
Gewalt findet hinter den Fassaden statt, in schicken Villen genauso wie im schlichten Wohnblock. Die Rollen sind gleich verteilt: Opfer werden meist Frauen, die Täter sind ihre Partner, Väter, Ehemänner. Rund 160 Mal im Jahr rücken Polizeibeamte zu Familienstreitigkeiten in der Stadt aus und verweisen prügelnde Männer ihrer Wohnungen.
Diese Zahl bleibt seit drei Jahren konstant, „doch die Dunkelziffer der häuslichen Gewalt dürfte weitaus höher sein“, schätzt Polizeisprecher Peter Elke. Am heutigen „Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ stellt sich daher die Frage: Wo finden Betroffene Schutz? Und warum sind nicht alle Opfer bereit, sich schützen zu lassen?
Opfer werden ins Frauenhaus gebracht
Für die Polizei ist das fast Alltag: Ein Streit im Mehrfamilienhaus, Schreie, Scherbenklirren, Türenknallen. „Meist sind es die Nachbarn, die uns anrufen“, weiß Peter Elke. Vor Ort treffen die Beamten auf Frauen mit glühenden Wangen und blauen Flecken. „Es liegt dann im persönlichen Ermessen der Beamten vor Ort, ob der Mann der Wohnung verwiesen wird“, erklärt Peter Elke.
„Oft ist der Täter aber längst geflüchtet – und die Frau in der Wohnung alleine nicht mehr sicher.“ Dann bringen die Beamten die Opfer ins Frauenhaus. „Häufig erleben wir auch den Fall, dass die Frauen die Hilfe gar nicht annehmen wollen.“ Sie geben sich selbst die Schuld an den Schlägen, finden Ausreden und Gründe, um die Täter zu schützen.
„Sie haben große Ängste“, weiß Nora Thurow. „Ihnen klar zu machen, dass es nicht an ihnen, sondern am Partner liegt, dass sie geschlagen werden, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse.“ Die Diplom-Sozialarbeiterin und -pädagogin ist Ansprechpartnerin in der Mülheimer Frauenberatungsstelle, die von dem Verein „Hilfe für Frauen“ betrieben wird und seit genau einem Jahr Anlaufstelle für Betroffene ist, die nicht gleich ins Frauenhaus flüchten wollen.
Den Frauen Mut machen
Etwa 30 Gespräche führt Nora Thurow im Monat, mit Frauen aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten. „Zwei Drittel davon handeln von häuslicher Gewalt – körperlicher und auch psychischer.“
Die Gespräche sind anonym und unverbindlich. „Zunächst geht es nicht darum, sich zu trennen, sondern alles erzählen zu können.“ Sich aus einer Beziehung zu lösen, sei ein langer und schwieriger Prozess. „Einige sind seit 20 Jahren verheiratet und haben große Angst vor einer Trennung, da sie danach auf sich allein gestellt sind.“
Diesen Frauen gilt es, Mut zu machen. Denn: „Nach einer Trennung kommen große Hürden auf sie zu“. Es geht um Anwaltssuche, um Besuche bei Gericht, die Beantragung von Hilfsleistungen oder Rechtsberatungen. Und darum, Beweise zu sammeln. Nora Thurow gibt den Frauen daher eine Checkliste an die Hand.
Wichtige Unterlagen müssen gesammelt werden, bevor die Trennung öffentlich wird. „Sonst haben viele Männer Papiere bereits beiseite geschafft“, weiß sie. „Daher würde ich einer Frau nie zur Trennung raten, bevor die eigene Erkenntnis nicht da ist.“ Dieser Akt erfordere viel Kraft.
Selbsthilfegruppe fehlt noch
Doch der Schritt lohne sich. „Danach sind die Betroffenen wieder frei und selbstbestimmt.“ Für Frauen, die sich nicht trennen möchten, hilft Nora Thurow mit einem Sicherheitsplan: „Die gepackten Koffer in der Nähe haben, um flüchten zu können, sobald Gewalt droht.“ Auch ein Codewort mit einer Freundin zu vereinbaren, könnte im Notfall helfen. Überhaupt: „Verbündete suchen.“
Die Vernetzung an Hilfsangeboten sei in Mülheim sehr gut. „Wir haben gute Angebote und Beratungsstellen.“ Nur eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben, fehle noch. „Wir würden uns freuen, wenn es Betroffene gäbe, die sich dafür engagieren wollen.“
Info: Zum Aktionstag „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ lädt die Gleichstellungsstelle der Stadt am heutigen Freitag, 25. November, ab 16 Uhr ins Medienhaus. Gezeigt wird das Theaterstück „Aus einem Riss wird ein Graben“, anschließend findet eine Diskussion statt. Frauenberatungsstelle: 305 68 23.