Mülheim. .

Rechnen kann Hannah (12) richtig gut, Freundin Sezen (13) mag ­Mathe nicht so gerne. Dafür kann sie gut mit Worten umgehen und ist kreativ. Ihre Stärken erkennen Haupt-, Gesamt- und Förderschüler der 7. und 8. Klassen im Parcours „Komm auf Tour“, den sie drei Tage lang im Ringlokschuppen durchlaufen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Agentur für Arbeit und das NRW-Schulministerium haben über 500 Mülheimer Schüler, Eltern und Lehrer zum Projekt eingeladen. Mit dem Wissen um die eigenen Stärken soll es Schülern leichter fallen, sich in der Berufswelt zu orientieren.

Patsch, patsch, patsch. Auf Flossen zu laufen ist gar nicht so einfach, stellen Jonas und Cedric gerade fest. Die Zwölfjährigen versuchen einen Tennisball auf einem Tisch zu balancieren. In vier Stationen testen sie aus, was Spaß macht und entdecken nebenbei ihre Fähigkeiten. Für jede Aufgabe, die sie meistern, bekommen sie Stärke-Aufkleber. Reden, Hilfsbereitschaft, Ordnung, Geschick oder Kreativität. Die Stärken sind am Ende mit den dazu passenden Berufsgruppen verknüpft. Wer viel Fantasie besitzt, könnte z.B. Koch werden. Oder Raumausstatter, Florist, Modeschneider. Um ­herauszufinden, was den Kindern liegt, dürfen sie in den vier Parcours-Stationen auf der „Theaterbühne“ Szenen spielen, im „Zeittunnel“ über Rollenbilder im Beruf diskutieren, das „Labyrinth“ ausmessen oder in der „sturmfreien Bude“ ­Aufklärungs-Fragen stellen: „Wie oft muss ich die Pille nehmen?“

Denn: „Berufsorientierung und Lebensplanung hängen eng miteinander zusammen“, weiß Marion Strehlow, die im Auftrag der BZgA den Parcours organisiert. „Dazu gehört eben auch die sexuelle Aufklärung.“ Auch Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, die die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen hat weiß: „Wenn ein Leben gelingen soll, gehört mehr ­dazu als nur das berufliche Glück.“

„Im Zoo arbeiten“

Hannah und Sezen sind zwar erst 12 und 13 Jahre alt, wissen aber genau, was sie wollen. „Im Zoo arbeiten“, sagt Hannah. Und stülpt sich die Blinden-Brille über den Kopf. Beim Spiel „Blind und lahm“ steuert der eine den anderen nur mit Worten durch ein Labyrinth. „Das klappt gut bei uns“, freut sich Sezen. Den Parcours halten die Willy-Brandt-Schülerinnen für sinnvoll, denn: „Wir haben zwar vermutet, welche unsere Stärken sind, bekommen es von anderen bestätigt.“

Dass die Berufsorientierung so früh ansetzt, finden Nico, Jonas und Cedric – ebenfalls Willy-Brandt-Schule – nur gut „In zwei Jahren müssen wir ja schon Berufspraktika machen.“

Das Projekt „Komm auf Tour“ findet bereits zum dritten Mal in Mülheim statt. Zum ersten Mal hat Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld die Schirmherrschaft übernommen. „Das Projekt passt wie ein Puzzlestein in die Mülheimer ­Bildungslandschaft.“ Auch sie findet: Je früher die Auseinandersetzung mit der Berufswelt ansetzt, desto besser können sich die ­Jugendlichen nach der Schulzeit orientieren. Wichtig sei, so die OB, dass solche Bildungsprojekte auf Nachhaltigkeit angelegt seien.

Jeder fünfte bricht ­seine Ausbildung ab

Auch Wolfgang Draeger, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen, betont, früh mit der Berufsorientierung zu beginnen. Schließlich beteilige sich die Agentur für Arbeit auch an dem Projekt, um die Ausbildungs-Abbruchquote zu senken. „Wir müssen früh investieren, um später teure Reparaturen zu vermeiden“, meint Draeger. Jeder fünfte Lehrling bricht ­seine Ausbildung in Mülheim ab. Die Quote liege bei 22,6 Prozent, „leicht unter dem Landesdurchschnitt.“ Sie weiter zu senken, sei das Ziel. Daher sind besonders viele Akteure aus der Stadt beteiligt.

An jeder der Stationen werden die Schüler von Mitarbeitern der jeweiligen Institution begleitet. Mitarbeiter des Diakonischen Werks stehen bereit, auch die Vertreter der Agentur für Arbeit, des städtischen Bildungsbüros oder der Caritas. „So haben die Jugendlichen zu jedem Thema einen Ansprechpartner, an den sie sich bei Fragen wenden können“, erklärt Marion Strehlow.

Am heutigen Mittwoch sind alle Eltern der teilnehmenden Schüler ab 19 Uhr zum Infoabend in den Ringlokschuppen eingeladen, um mit Vertretern der Institutionen ins Gespräch zu kommen. Für Unterhaltung sorgt die Schülerband der Gesamtschule Saarn.