Mülheim. Taxi, wenn der Bus ausfällt: Ein Fahrgast mit Sozialticket wollte das Pünktlichkeitsversprechen der Mülheimer Verkehrsgesellschaft MVG in Anspruch nehmen - und wurde abgewiesen. In der Werbung verspricht das Unternehmen den Bus- und Bahnnutzern allerdings “Wir geben Ihnen sogar die Hand drauf“.

Bisher wusste Frau E., dass es bei der Deutschen Bahn eine erste und zweite Klasse gibt. Nicht bekannt war ihr bislang, dass es in Straßenbahn und Bus scheinbar auch Fahrgäste dritter Klasse gibt, vermutet sie. Denn als sie kürzlich das so genannte Pünktlichkeitsversprechen der Mülheimer Verkehrsbetriebe in Anspruch nehmen wollte, wies man sie ab: „Sie haben ja nur ein Sozialticket“, antwortete man ihr.

Vier Mal ist es Frau E. in den letzten Wochen passiert, dass sie auf die verspätete Straßenbahn oder den Bus warten musste. Ärgerlich, wenn dieser dann sogar ganz ausfiel. Doch als sie sich kürzlich nachts anderthalb Stunden die Beine in den Bauch stand, weil die Linie 104 nicht kam, beschloss sie zum ersten Mal vom Pünktlichkeitsversprechen der MVG Gebrauch zu machen.

Das besagt: Kommt die Linie mehr als zehn Minuten zu spät, darf sich der Fahrgast den Fahrpreis ersetzen lassen. Bei über 20 Minuten Wartezeit ist sogar eine Taxifahrt bis 25 oder am Abend sogar 50 Euro drin. „Wir geben Ihnen sogar die Hand drauf“, sagt die MVG in der Werbung.

Empörung im Kundencenter

Im Kundencenter reagierte man empört, dass Frau E. davon Gebrauch machen wollte: „Sie haben doch nur ein Sozialticket. Das geht damit nicht“, sagte man E. „Ich bin deswegen richtig rot geworden“, ist es der Sozialhilfeempfängerin immer noch peinlich, „bin ich denn weniger wert als andere?“

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„Nein, ist die Kundin nicht“, sagt Nils Hoffmann, Pressesprecher der MVG, doch das Pünktlichkeitsversprechen gilt nicht für das subventionierte Sozialticket. Damit den Verkehrsunternehmen keine weiteren Kosten entstehen, ist dieser Kundenservice für die Pilotprojektzeit bis Ende 2012 rausgenommen worden. 29,90 Euro kostet das Sozialticket für die Preisstufe A1 immerhin.

Frau E. hat also keinen Anspruch auf Erstattung von 2,40 Euro (Klasse A1). Wohl aber auf die Mobilitätsgarantie: So hätte sie nach 20 Minuten Wartezeit durchaus ein Taxi nehmen können, um nach Hause zu kommen. Sogar bis zu 50 Euro werden erstattet, wenn man zwischen 20 und 5 Uhr unterwegs ist.

Verschiedene Töpfe

Lieber 50 Euro statt 2,40 Euro – dass sich dieser Fall widersinnig anhört, muss der MVG-Pressesprecher einräumen. Der Schlüssel dazu liegt in den verschiedenen Töpfen. Die 2,40 Euro müsste normalerweise die MVG erstatten, für das Taxi aber kommt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf. Zumindest solange bis das Sozialticket als Regelticket neben Ticket 1000 und Co etabliert ist.