Mülheim. .
Ebbe herrscht bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) nur in der Kasse. Die Kritik an der Zuverlässigkeit und am Zustand des öffentlichen Nahverkehrs ebbt offenbar nie ab, in immer wieder neuen Wellen schwappt sie auf die MVG zu. Aktuell kämpft der Betrieb mit einem immens hohen Krankenstand. An manchen Tagen im August fiel fast jeder fünfte Bus- oder Straßenbahnfahrer aus. Bei einer Krankenquote bis zu 20 %, welche die MVG gestern einräumte, drängt Verdi-Geschäftsführerin Henrike Greven darauf, betriebsinterne Ursachen zu erforschen.
„Ein Krankenstand zwischen 8 und 9 % sollte auch bei den Bedingungen im Schichtdienst des Nahverkehrs erreichbar sein“, so Greven. „Alles darüber dürfte betriebsinterne Gründe haben.“ Sie glaubt, dass der MVG-Fahrdienst auch unter der „heftigen Auseinandersetzung“ um die Zukunft des Mülheimer Nahverkehrs leidet. Erst über Jahre ein Sparprogramm mit üppigem Stellenabbau, jetzt und schon länger die verunsichernde Debatte um die Stilllegung von Straßenbahnen. Die Frage, wie es weitergehe, so Greven, wirke belastend auf die Gesundheit.
Viele Belastungsfaktoren
Thorsten Neufeld, zuständiger Landesfachgruppenleiter der Dienstleistungsgewerkschaft, sieht das Problem einer hohen Krankenquote auch in anderen Nahverkehrsbetrieben in NRW. Viele kleine Faktoren sorgten bei Berufsfahrern für Belastung, dazu zähle, dass Fahrzeugflotten wie die Mülheimer erneuerungsbedürftig seien. „Einige Fahrzeuge haben nicht mal eine Klimaanlage, die Fahrersitze sind oft nicht auf modernem Stand, um eine monotone Sitzhaltung zu vermeiden.“
Dazu viele Baustellen in der Stadt, die mehr Konzentration erforderten und Verspätungen brächten. Dadurch kürzere Pausen und mehr Ärger mit unzufriedenen Fahrgästen. „Fahrer“, so Neufeld, „sind dann der Prellbock für Unzufriedenheit.“ Eine teuflische Spirale. Mit einem Investitionsstau habe nicht allein die MVG zu kämpfen. Die Finanzausstattung im ÖPNV sei landesübergreifend beklagenswert.
Kunden und Mitarbeiter des ÖPNV leiden unter den Zuständen
Unter miesen Zuständen leiden nicht nur ÖPNV-Kunden, sondern auch Mitarbeiter im Nahverkehr. Die aktuell immens hohe Krankenquote bei der MVG sorgt, das zeigen Beschwerden dieser Tage, für weiteren Druck auf die MVG-Belegschaft. Durch die aktuelle Quote „zwischen 10 und 20 %“ wird laut MVG-Sprecher Olaf Frei auch die Ausfallquote der Busse und Bahnen höher sein als zuletzt. Dabei präsentierte Frei eine Datenreihe, nach der die Ausfallquote seit Beginn des Jahres kontinuierlich gesunken ist.
Habe es bis Februar noch bei mehr als jeder 20. Tour eine Ausfallmeldung gegeben (Totalausfall oder mehr als zehn Minuten Verspätung), so habe sich die Quote bis Juli mehr als halbiert – auf 2,54 %. Betroffen gewesen seien bis Juli 1500 Fahrplanstunden; mit ihrer Ausfallquote liege die MVG aktuell mehr als doppelt so schlecht wie Essens Evag.
Kollegen der Straßenbahn-Werkstatt legten sich ins Zeug
Den August mit seiner hohen Krankenquote wertet Frei dennoch als Ausfallerscheinung auf dem Weg zur Besserung. Dazu trügen auch Verbesserungen im Werkstattbereich bei. Die Probleme mit Fahrzeugen habe die MVG „sehr gut in den Griff bekommen“, etwa durch Umorganisation oder Personalaufstockung um einen Schlosser. „Weitere zwei Elektriker und ein Schlosser werden folgen“, so Frei.
Bis dato helfe ein Kollege der Duisburger DVG aus. So sei der Betrieb zum Beispiel auch bei der Getriebereparatur der in Serie ausgefallenen Niederflurbahnen im Zeitplan. Frei: „Sehr viele Überstunden wurden geleistet. Da haben die Kollegen in der Straßenbahn-Werkstatt Außerordentliches getan.“