Mülheim. . Beim Projekt „Natürlich Mülheim“ haben Schüler der Hölterschule Obst und Gemüse selbst angebaut und geerntet.
„Das werden die noch bereuen“, sagt Bauer Hermann Terjung und stützt sich auf der im Boden steckenden Mistgabel ab. Gemeint sind die 26 Kinder, die gerade auf Terjungs Acker am Bollenberg die Kartoffeln auflesen. Nicht, dass der Landwirt etwas gegen die jungen Ernteabgreifer hätte, im Gegenteil: Terjung hat den Viertklässlern der Hölterschule einen Teil seines Ackers mitsamt Erträgen für ihr Projekt „Natürlich Mülheim“ überlassen. Die Mistgabel hat der Bauer dabei, um den Kindern die Kartoffeln aus der Erde zu holen.
Doch mit dem „Bereuen“ könnte Terjung recht behalten. Die Kinder, kriegen den Hals nicht voll, aber dafür die Säcke und Beutel. Die Grundschüler stampfen auf dem Ackerboden umher, buddeln im Dreck und packen eine Kartoffel nach der anderen ein. „Wenn die Kinder die Beutel richtig voll machen, haben die bestimmt zehn Kilo da drin“, schätzt Terjung.
Die jungen Landwirte sind viel zu sehr mit dem Abenteuer Ernte beschäftigt, als dass sie sich Gedanken darüber machen, wie sie ihr Ackergold nach Hause kriegen. „Guck mal, die sieht ja aus, wie eine Frau“, sagt eine Jungbauerin und präsentiert stolz ein Prachtexemplar der Sorte Cilena, festkochend. Klassenkamerad Edwin ist derweil schon dabei, seinen zweiten Beutel zu füllen. Was er denn mit den ganzen Kartoffeln anfangen wolle? „Pommes, Chips, Reibekuchen“, antwortet der Neunjährige.
Vor drei Jahren wurde das Projekt ins Leben gerufen
Gemeinsam mit seiner Klasse hat Edwin aber bereits ganz andere - fettarmere - Gerichte aus Kartoffeln zubereitet. „Wir haben bereits beim Abschlussfest für die Eltern gekocht“, berichtet Barbara Mecklenbeck. Damals gab es in der Familienbildungsstätte Frühkartoffeln mit Quark, Kräutern und Tomaten-Mozzarella-Spieße. „Haben alles die Kinder gemacht“, sagt die pädagogische Leiterin des Offenen Ganztags an der Hölterschule.
Vor drei Jahren hatte Mecklenbeck das Projekt „Natürlich Mülheim“ an ihrer Schule ins Leben gerufen. „Die Kinder sollten sehen, dass es noch Menschen in unserem Umfeld gibt, die dafür sorgen, dass wir ernährt werden.“ Damals waren die Jungbauern noch in der ersten Klasse und haben sich zunächst Mülheims Umgebung angesehen, Bauernhöfe und eine Mosterei besucht sowie eine Bäckermühle in Xanten. Später ging es gar auf Klassenfahrt auf einen Bauernhof.
Eine weitere Ernste am Donnerstag
Letztere werden die Kinder bald wieder aufsuchen. Die jungen Landwirte haben kommenden Donnerstag nämlich noch eine weitere Ernte vor sich. Auf der Streuobstwiese vom Bauer Kamann am Dellbeck warten Äpfel darauf, gepflückt und zur Mosterei gebracht zu werden.
Mecklenbeck hat in Mülheim, neben den bereits erwähnten, weitere Unterstützer für ihr Projekt gefunden. Die Gärtnereien Rumbaum und Kocks und der Kräutergarten Saarn liefern den Kindern die nötigen Samen, um Kräuter anzupflanzen. „Wir haben einen Kräutergartengießdienst bei uns in der Klasse“, ruft eine junge Landwirtin ihrer Lehrerin Clara van der Felden ins Wort. Die will eigentlich gerade erzählen, wie Kräuter und Kartoffeln in den Unterricht eingebunden werden: „In Deutsch schreiben wir Rezepte auf, im Sachunterricht reden wir darüber, wie die Kartoffel wächst und im Kunstunterricht gestalten wir die Kartoffelsäcke mit Kartoffeldruck“, erklärt van der Felden den Lehrplan, den sie mir ihrer Kollegen Julia Hoff für die Klasse erstellt hat.
Die Kinder sind eigentlich schon mitten im Mathe-Unterricht. In diesem wird nämlich das Gewicht der Kartoffelsäcke Thema sein – ist es jetzt schon. Die Kinder schaffen es kaum, ihre Ernte vom Feld zu tragen. Einige versuchen mit aller Kraft zwei volle Beutel gleichzeitig zu den großräumigen Autos, der mitgereisten Eltern zu schleifen.
Ein Vater wird schon ungeduldig: „Catalina, komm’se ma bitte aus’m Feld, wir müssen zum Ballett“, fordert er seine Ballerina und Landwirtin auf.