Mülheim.

Viele Mülheimer Mieter haben in den vergangenen Monaten Post von ihren Vermietern erhalten haben - kein Anlass zur Freude, denn es handelte sich um Mieterhöhungen. Der neue, sogenannte „qualifizierte Mietspiegel“, der spätestens alle vier Jahre unter Mitwirkung der Eigentümer- und Mieterverbände neu erstellt werden muss, gilt seit dem 1. Januar 2012.

Wesentliche Neuerungen sind, dass die Zu- und Abschlagsgründe in der Mietspiegeltabelle sehr viel differenzierter sind als bislang und die Durchschnitts-Quadratmeterpreise des Mietspiegels um bis zu 1,30 Euro gestiegen sind.

Viele Zuschlagsmöglichkeiten sind geblieben

Die Kategorie „Modernisierter Altbau“ wurde in der Tabelle gestrichen. Mit Hilfe der Zu- und Abschläge kann der Eigentümer der Wohnung ausrechnen, wie hoch die Miete für seine Wohnung einzuordnen ist. Diese Faktoren sind jedoch die eigentlichen Diskussionspunkte. Viele Zuschlagsmöglichkeiten sind geblieben, aber zum Beispiel der Balkon schlägt nun erstmals mit 0,26 Euro pro Quadratmeter zu Buche.

Vermieter tendieren naturgemäß und im eigenen Interesse dazu, ihre Wohnungen so hoch wie möglich einzustufen, der Mieter wird dabei eher an seinen Geldbeutel denken. Wer immer schon einen zur Wohnung gehörigen Balkon gehabt hat, sieht vielleicht nicht ein, warum er dafür jetzt zahlen soll.

Fast acht Jahre gab es keine Änderungen

Trotzdem ist „im Vergleich mit den Nachbarstädten das Mietpreisniveau in Mülheim gut. Die Durchschnittsmiete beträgt 5,74 Euro“, sagt Harald Bartnik vom Mieterschutzbund. Fast acht Jahre hat es in Mülheim keine Änderungen gegeben, daher reagieren viele Vermieter prompt auf die neuen Möglichkeiten. Die lange von Erhöhungen verschont gebliebenen Mieter sind dagegen aufgeschreckt.

Was die Mietspiegel für Mieter bedeuten 

Empfehlenswert ist es für Mieter, sich zuerst den klar gegliederten und überschaubaren Mietspiegel zu besorgen und zu versuchen, die Erhöhungen im Einzelnen nachzuvollziehen. Wenn diese nicht plausibel erscheinen, raten Experten zum Beratungsgespräch beim Fachanwalt oder Mieterverband. Falls auch diese die Mieterhöhung nicht in allen Punkten für gerechtfertigt halten, wäre der erste Schritt ein Versuch, strittige Punkte mit dem Vermieter zu klären, denn wenn man erst einmal zugestimmt hat , muss man auch zahlen.

Außergerichtlich einigen

„Oft kann man sich auf diesem Wege außergerichtlich einigen. Ist das nicht möglich, und stimmt der Mieter der Mieterhöhung nicht zu, muss der Vermieter eine Zustimmungsklage anstrengen.

Dann sollte der Mieter jedoch relativ sicher sein, dass er bei einem Prozess Aussicht auf Erfolg hat, oder über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, die natürlich einer Vertretung im Vorfeld zustimmen muss“, erklärt Benjamin Ciolek, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei Dr. Christian Keller. Der junge Anwalt hat festgestellt, dass die Anfragen und Beratungsgespräche sich mit dem neuen Mietspiegels häufen.

Angefordertes Gutachten könnte teuer werden

Der Geschäftsführer des Mieterschutzbundes, Harald Bartnik, schätzt den Anstieg der Besuche auf zehn Prozent. Er rät Mietern, vor allem die Mieterhöhungen der großen Immobilieneigentümer genau zu prüfen. Er gibt zu Bedenken, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein vom Richter angefordertes Gutachten teuer werden könne. „Das kostet schon mal 2.500 Euro, und die muss der Verlierer - ebenso wie die Anwalts- und Gerichtskosten - tragen.“

Diese Summen stünden in keinem Verhältnis zum niedrigen Streitwert. Für ein Ärgernis und nachbesserungswürdig hält er den „Küchenzuschlag“, bei dem der Vermieter für einen separaten Küchenraum einen Zuschlag verlangen kann, ohne das wirklich deutlich formuliert wurde, wie der Standard sein muss.

Was die Mietspiegel für Vermieter bedeuten 

Andreas Noje, Geschäftsführer der Eigentümervereinigung Haus & Grund, gibt zu, dass ihn die Hausbesitzer vermehrt ansprechen, um die Mieten überprüfen zu lassen. „Der Großteil der Mieterhöhungen bleibt bei uns aber im Rahmen“, sagt Noje. „Viele Mitglieder erhöhen die Mieten moderat, denn sie möchten ihren Mietern nicht eine zu hohe Grundmiete zumuten, weil sie wissen, dass die Nebenkosten mehr und mehr zu Buche schlagen. Zuverlässige Mieter möchte man ungern verlieren.“ Die meisten Vermieter würden deshalb mit Augenmaß erhöhen.

Punkt für Punkt durchgehen

„Ich gehe mit den Immobilienbesitzern Punkt für Punkt durch und klopfe ab, was für ihre individuelle Wohnung Sinn macht.“ Dabei frage er detailliert nach, wie zum Beispiel die Küche aussieht oder wie groß der Balkon ist, für den ein Zuschlag erhoben werden soll. Die maximale Mieterhöhung, die sogenannte „Kappungsgrenze“, liegt bei 20 Prozent innerhalb von drei Jahren. Auch muss der Vermieter die Jahressperrfrist einhalten von letztlich 15 Monaten einhalten.