100 Frauen finden jährlich Zuflucht im Frauenhaus. Häufig bieten Freunde oder Nachbarn Unterstützung an. Gestern fand der Aktionstag „Nein zu Gewalt an Frauen” statt.

Vor kurzem hat Jutta Michele einen Anruf von einer Frau bekommen. „Ich bin geschlagen worden und will zur Polizei gehen”, sagte sie am Telefon. Aber sie hatte große Angst davor, allein zu gehen. Jutta Michele begleitete die Frau – „das hat ihr sehr geholfen”. Seit dem 1. Juni leitet Michele die Außenstelle der Opferschutzorganisation „Weißer Ring” in Mülheim. Rund 40 Menschen haben sich seitdem an sie und ihre beiden Kollegen gewandt. „Bei den angezeigten Fällen stand sexueller Missbrauch an erster Stelle.” Danach folge häusliche Gewalt.

Zum internationalen Aktionstag „Nein zu Gewalt an Frauen” hatten „Weißer Ring” und der Verein „Hilfe für Frauen”am Mittwoch in die evangelische Ladenkirche eingeladen. Der Verein ist Träger des Frauenhauses in Mülheim. Dort finden etwa 100 Frauen im Jahr Zuflucht. „Es sind immer mehr junge Frauen bei uns”, berichtet eine Sozialarbeiterin, deren Name nicht in der Zeitung stehen soll. Vielleicht sei das aber auch ein Zeichen dafür, dass Frauen, die Opfer von Gewalt werden, sich früher Hilfe suchten. Oft seien es andere Menschen, die sich meldeten: Erzieherinnen aus dem Kindergarten, Lehrer, Freunde oder sogar Passanten auf der Straße.

Polizei hat mehr Möglichkeiten, einzugreifen

Das stellt auch die Polizei fest. Sie spricht von „häuslicher Gewalt”, wenn (zumeist) einer Frau in ihrer Wohnung von ihrem Mann oder Freund Gewalt angetan wird. „Seit 2002”, sagt Polizeisprecher Peter Elke, „hat die Polizei mehr Möglichkeiten, einzugreifen”. Das Gewaltschutzgesetz erlaubt es den Beamten seither, Wohnungsverweise für den gewalttätigen Partner auszusprechen: Das Opfer kann in der Wohnung bleiben, der Schläger muss gehen. Seither würde die Polizei häufiger, etwa von den Nachbarn, informiert. Tatsächlich sind die registrierten Fälle von häuslicher Gewalt in Mülheim deutlich angestiegen: Hatte die Polizei von Januar bis August 2008 insgesamt 98 Fälle dokumentiert, so waren es im gleichen Zeitraum in diesem Jahr, also in den ersten acht Monaten, 20 Fälle mehr: 118 Mal musste die Polizei eingreifen.

Auch in diesen Fällen bekommen die Frauen, wenn sie es möchten, Unterstützung von den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. „Das ist wichtig, damit sie nicht allein zu Hause sind.” Die Frauen hätten häufig Angst: Was passiert, wenn der Mann wiederkommt?”

Ebenso werden die Frauen, die aus dem Frauenhaus ausziehen, weiterhin beraten, einige über Jahre hinweg. Leicht fällt es nie, ein neues Leben anzufangen.